Russland 2002 - Regie: Alexander Doulerain und Sergei Koryagin - Darsteller: Sergei Koryagin, Inna Kolosova, Boris Yuhananov, Oleg Haibullin, Dmitry Troitsky, Gleb Aleinikov, Sergei Chonivshily, Nina Ruslanova - 95min.
:::: gesehen am 3.1.04 auf Video bei mir (Auswahlsichtung für die GFT)

Eine russische Cyberkomödie. Der junge Ivan fährt zurück in seine Heimatstadt. Auf der rasanten Fahrt überfährt er beinahe eine junge Frau, die an Amnesie leidet und aus der Klinik des Genies Dr. Strauss geflohen ist. Nicht nur dass der böse Doktor heimlich in sie verliebt ist, er hat sie zum Subjekt eines fehlgeschlagenen Experiments gemacht, indem er ihr Gehirn an einen Computer angeschlossen hat. Jetzt hat sie Probleme sich an die Realität anzupassen. Um die Frau an sich zu binden, unternimmt Dr. Strauss einen letzten verzweifelten Versuch. Er versteckt sie mit Hilfe seines Computers in einer Untergrundrealität, aus der Ivan und seine Freunde sie nur hoffen können, zu befreien.

Der Film ist eine Skurrilität. Eine Vermischung von Klassikern des russischen Kinos mit heutiger Performance Art von einer neuen Generation Independent-Filmemachern. "Ivan der Idiot" ist eine der populärsten Figuren russischer Folklore mit einer grundelgenden Fabel: Der Held Ivan befreit eine schlafende Schönheit aus den Fängen des Bösen. Hier erzählt als ein "Cybercomic". Anspielungen auf "Matrix", "Men in Black" und anderen modernen Hollywood-Sci-Fi-Blockbustern vermischen sich mit Symbolen kultureller Identität Russlands in einem wirren Cyberspace. Die russische Seele, eine Auferstehungs-Sekte, westliche Pop-Kultur, die außeridische Erlösung. Viele Anspielungen, die nur der Russlandkenner zu entschlüsseln vermag. Postmoderne halt mal auf russisch. Der erste Cyber-Punk Film aus Russland, den ich gesehen habe.Stistisch ist der Film harsch, um nicht zu sagen trashig. Low Budget mit Detailliebe und viel kulturkritischem Konzeptionalismus.

|Englische Infos zum Film auf der offiziellen Site
 




:::: Dokumentarfilm-Auswahlsichtung für die GFT am 31.1.04 bei I.

FRISCHES BLUT
Russland 2003 - Regie: Ponomarev-Mandel - 10min.
Kurzpoträt eines jungen Mannes (Leher, Musiker und Blutspender). Nach dem Motto "schaut her, es gibt auch gute junge Menschen, die sich zwar die Haare färben und HipHop machen, aber trotzdem keine Drogen nehmen".

ZONE DER ENTFREMDUNG
Russland 2003 - Regie: Svetlana Mozychenko
Eine Fahrt mit der Transsibierischen Eisenbahn. Beobachtungen von Fahrgästen, der Landschaft und Interviews mit den Bahnangestellten im Zug, die wie eine kleine Familie.

Dann so ein Tape mit Filmen von Studierenden der VSMU:

CZEK ONKO (DURCH DAS FENSTER)
Slovakai 2003 - Regie: Peter Filo
Kurze Beobachtung von zwei Eisenbahnschrankenwärtern. Ein Mann mit seiner Frau und eine alleinsstehende Frau, deren Mann auf der anderen Seite des Bahndamms beerdigt ist.

STRANGER
Slovakai 2001 - Regie: Milan Balog
Tagebucheinträge eines alten Kieswerkarbeiters werden überlagert mit Beobachtungen eines aktuellen Kieswerkarbeiters in seiner Hütte. Melancholisch-düstere Stimmung, märchenhafte Vermischung von heute und gestern.

KULTURFABRIK - 9 RULES HOW TO PREPARE PROPER MEAT
Slovakai 2003 - Regie: Milan Balog
Ein Gastspiel eines Off-Opernensambles aus Bratislawa in der luxemburgischen "Kulturfabrik" (ein umfunktioniertes Schlachthaus). Der Film dokumentiert die Proben zur Oper und ordnet die Inszenierung nach "Regeln" wie Fleisch hergestellt wird. Der Zusammenhang wirkt konstruiert, auch die Probenarbeiten kommen ziemlich maniriert rüber.

SO FAR, SO GOOD
Slovakai 2003 - Regie: Viera Baciková / Iveta Grófová
Beobachtungen an einem kleinen Fußballplatz. Der Platzwart, das Training, die Spieler, die Zuschauer...

WIPE-OUT
Slovakai 2003 - Regie: Zusa Piussi
Die Kamera folgt den Operationen eines Polizei-Sonderkommandos in Bratislava. Zwischen den Einsätzen Interviews mit einigen der Polizisten. Konzentriert sich nicht auf eine Person, und der Grundtenor ist etwas verschwommen zwischen "einsame Helden" "ja, schlimm die Kriminalität". Die Polizei-Dokutainments auf RTL2 sind spannender.

25 MARRIED COUPLES AND ONE THREESOME
Polen 2002 - Regie: Malgorzata Kozera - 9min
Eine alte Frau, die in ihrem Haus über die Zeit mehrere Menschen umsonst hat wohnen lassen erzählt mit Humor und Sentimentalität über ihr Leben.
 




:::: Dokumentarfilm-Auswahlsichtung für die GFT am 29.1.04 bei N.

JESUS, DU WEISST
Österreich 2003 - Regie: Ulrich Seidl - Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz - Kamera: Wolfgang Thaler, Jerzy Palacz - Produzent: Martin Kraml - 87 Min.

Der Filmemacher Ulrich Seidl ("Hundstage") hat sechs streng gläubige Menschen in außergewöhnlichen Lebenssituationen zu ihrem Gottesbild befragt. Beim Filmfestival in Karlovy Vady (Karlsbad) machte dieser Film den ersten Preis. Dem Film fehlt ein bißchen der seidl'sche Biss und lässt viel Raum für die Entwicklung der beobachteten Menschen im Gebet. Zwar für Seidl typische Bildinzenierung, aber der Blick des Filmemachers hier sehr zurück genommen (im Vergleich zu seinen anderen Filmen).

|Kritik von Sandra Vogell |Viennale Katalog zum Film


DER PREIS DES ÜBERLEBENS
Niederlande 2003 - Regie: Louis van Gastern - 56min.

Doku über die Familie eines KZ-Überlebenden. Nach dem Tod des Vaters schildert der eine der Söhne, wie die erlebten Grausamkeiten des KZ alle Lebenslagen der Familie bestimmt haben. Die ältere Tochter und der ältere Sohn melden sich lediglich in Textpassagen zu Wort, die aber ebenfalls sehr klar die geschädigte Kindheit vermitteln. Die Mutter hat ihr Leben vollkommen auf ihren Mann abgestimmt, lebt die Leiden des KZ, in dem sie nicht war. Ein sehr aufwühlender Film mit einer neuen Sichtweise auf das Thema: Das Leid eines Überlebenden übertragen in die Kindergeneration. Der Film ist die Fortsetzung von der Dokumentation "Verstehst Du jetzt, warum ich weine?" (1969/71) des selben Regisseurs. Wird im diesjährigen Forum der Berlinale zu sehen sein.


THE CLOWN FAMILY
Russland 2003 - Regie: Natalia Gugueva - 28min.

Charmante Doku über eine Clown-Ehe. Das Künstlerpaar zwischen Liebe, Streit, Zirkusauftritten und Privatheit. Eine merkwürdige Vermischung von Berufung und der privaten Beziehung.


PULS
Polen 2003 - Regie: Anna Kazejak - 9min

Die Geburt eines Babys in eine nicht alltägliche Famile: Die junge Mutter verlassen vom Vater des Kindes. Der Großvater, der selber an Krebs erkrankt ist, tritt an die Stelle des Vaters.
 




:::: Spielfilmsichtung für die GFT am 27.1.04 bei E.

CALL THAT A DREAM
Polen 2003 - Regie: Mariusz Ziubryniewicz - 28min

Ein Mann zwischen der schwierigen Entscheidung für eine Frau oder seinen behinderten Bruder. Der Bruder soll in ein Heim, am Ende der Reise scheint sich aber alles zu regeln. Figuren, Story und Konflikt recht dürftig, sehr sentimental inszeniert.


PLATZANGST
Deutschland 2002 - Buch und Regie: Heike Schober und René Zeuner - 65min

Romeo und Julia im Osten. Martin ist rechts und Marina ist gebürtige Russin. Beide begenen sich in einer Theatergruppe und verlieben sich. Martins rechte Clique hat etwas dagegen...
Mit Laiendarstellern umgesetztes Sozialprojekt nach einer wahren Gegebenheit. Unprätentiös, nicht zu sozialpädagogisch, aber auch nicht zu fiktional verklärt. Realistisch erzählte Probleme von Jugendlichen mit der Schule (der Matheleherer wird gespielt von Detlev Buck), Gewalt, dem Erwachsenwerden und dem Sich-abgrenzen innerhalb von Jugendcliquen.

|www.platzangst-film.de |Kritik im Filmdienst


ZOSTANE TO MEDZI NAMI (It will stay between us)
Slovakai 2003 - Regie: Miroslav Šindelka - 92min

Der Radio DJ, ein Model und ihr Verlobter. Der Film zeigt die tragisch-komische Geschichte dreier Menschen im heutigen Bratislava, die auf unterschiedliche Weise versuchen ihre Beziehungen zu managen. Sehr interessanter Film: Inszenatorisch die Ausstellung von plakativen Symbolen, Settings, Figuren... thematisch beschäftigt er sich auf unterschiedlichen Ebenen mit Begehren, Moral und Oberfläche. Bewusste Irritationen und psychologische Zuschauerführung. Dramaturgisch sehr angezogen, entlädt sich nur ganz selten etwas, man kricht ein bißchen auf dem Zahnfleisch beim sehen.

|offizielle Seite |offizielle Seite auf Englisch
 




:::: gesehen am 27.1.04 / Pressevorführung im Filmkunst66

Ein Polizist an einer Tür, Fotografen, Kameras, eine drückende Anspannung, die Ruhe vor dem Sturm. Die Tür öffnet sich, auf der Tonebene bricht ein Donnern der Fotoapparate auf, Blitzlicht, eine Person, den Kopf in einem schwarzes Tuch versteckt, wird von Polizisten durch die Masse geschleust. Schnitt auf die Person in einem Gerichtssaal sitzend, langes Standbild, Schrift: "Im Sommer 1999 verdursten in Frankfurt/Oder zwei kleine Kinder. Ihre Mutter, Daniela J., damals 23 Jahre alt, hatte sie 14 Tage in ihrer Neubauwohnung allein zurückgelassen."
Zwei Jahre später sucht Aelrun Goette nach den Hintergründen dieses Verbrechens.

"Die Kinder sind tot" versucht in den Mikrokosmos der Plattenbausiedlung Neuberesinchen bei Franfurt/Oder vorzudringen. Bewohner werden beobachtet, befragt und langsam kommen Hintergründe ans Licht. Die arbeitslose Daniela, die selbst aus desolaten Familienverhältnissen stammt, bringt in sechs Jahren vier Kinder von vier verschiedenen Vätern zur Welt, das erste mit 17 Jahren. Zwei Jungen bleiben bei ihr, die anderen werden zur Adoption freigegeben oder in der Familie untergebracht. Sie lernt einen neuen Mann kennen, die große Liebe, glaubt sie. Sie geht zu ihm und läßt die Kinder allein. Die beiden Jungen sterben einen qualvollen Tod. Der Prozeß gegen Daniela J. wird von Tumulten begleitet. Medien und Neugierige drängen sich vor Gericht. Erregte Nachbarn brüllen in die Kameras: "die Todesstrafe ist noch zu gut für die". Die Mutter der Angeklagten läßt kein gutes Haar an ihrer Tochter und belastet sie, wo sie kann. Freunde erklären, Daniela J. habe ihre Kinder verwahrlosen lassen. Das Jugendamt will nichts bemerkt haben. Daniela J. wird wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ein harter Film, der unter dei Haut geht. Mit chirugischer Präzesion werden die Hintergründe der Tat beschrieben, der Film gibt keine klaren Antworten, sondern wirft Fragen auf nach Verantwortung und Schuld, nicht nur bei der Täterin. Ist Daniela alleine Schuld? Hat sie die Kinder bewußt sterben lassen? Oder ist es eine unglückliche Verkettung der Umstände? Zunächst möchte man den Umständen die Schuld geben. Man möchte den Nachbarn die Schuld geben, weil sie wegschauten, dem Jugendamt, den Männern, die ihre Kinder im Stich liessen. Gegen Ende des Films verdichten sich die Interviews zu einer Zwiesprache zwischen Mutter und Tochter. Daniela scheint offen, erzählt glaubwürdig, aber trotzdem bleibt ein Rest an Mißtrauen an dem, was wirklich vorgefallen ist. Wirklich erklären kann der Film nicht, man ist als Zuschauer mit dem Unfassbaren fast genau so alleine gelassen, wie die Beteiligten.

DIE KINDER SIND TOT, Deutschland 2003
Buch/Regie: Aelrun Goette
Montage: Andreas Zitzmann
Kamera: Bernd Meiners
Verleih: Ventura Film, Starttermin: 11.3. 2004

|Kritik von Sandra Vogell | Kritik von zdf.de
 




Deutschland 2003 - Regie und Buch: Sylke Enders - Darsteller: Franziska Jünger, Alexander Lange, Hinnerk Schönemann, Danilo Bauer, Harald Schrott, Anja Beatrice Kaul, Kimberley Krump, Sabrina Braemer, Heidi Bruck, Jonny Chambilla, Inga Dietrich, Marlene Warnstedt, Doro Kaminski - 92min (basierend auf dem gleichnamigen Kurzfilm für die Reihe BOOMTOWN vom SFB)
:::: gesehen am 26.1.04 / Presseaufführung im Filmkunst 66

Die 16jährige "Kroko" ist der eiskalte Engel, die Tussi-Deluxe aus einer Hochhaussiedlung in Berlin-Wedding. Als Ghetto-Königen stiftet sie ihre Gang zu kleinen Straftaten an. Ihre Mutter hat längst resigniert und selbst die Jungs ziehen den Schwanz ein. Für Kroko muss Coolness neu definiert werden. Eine Unnahbare Solariumprinzessin hinter einer Maske aus dicker Schminke und billigen Fummeln. Es scheint nichts zu geben, was Krokos gelangweilten Blick zum Schmelzen bringen könnte. Nichts, was ihre unerbährmliche Härte menschlicher machen könnte. Als sie vor Gericht wegen eines Autounfalls zu Sozialdienst in einer Behinderten-WG verdonnert wird, verdreht sie nur genervt die Augen. Null Bock auf "Spastis". Doch in der Behinderten-WG entdeckt Kroko nach und nach etwas, was ihre Hinterhof-Gang ihr nicht bieten kann.

Für Heinz Badewitz - der Leiter der Hofer Filmtage - gehört laut epd-Film "Kroko" zu seinen persönlichen Top20 der besten Deutschen Filme. Der Film ist eine Weiterentwicklung des gleichnamigen Kurzfilms und Sylke Enders Abschlussfilm an der dffb. In der langen Version hat die Regisseurin die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kroko und den Behindern überzeugend heraus gearbeiten. Von anfänglich vollkommener Ablehnung, Über leichte Erschütterungen der versteinerten Mimik Krokos, bis zu emotionaler Wärme. "Franziska Jünger ist in dieser Rolle so lebensecht, dass am Ende ein einziges Lächeln schon zum Ereignis wird", schrieb Michael Althen, in seinem Festvialbericht der Hofer Filmtage am 27.11.03 in der FAZ. Eine beeindruckende Wandlungsfähigkeit im Gesicht. Zusammen mit den Darstellern der Theatergruppe Thikwa entwickelt sich eine spannendes Thema ohne überzogene Sentimentalität, aber anrührend und komisch. Der Film hat seinen Kinostart in Deutschland am 3.4.04
 




USA 1999, Regie: David Giancola, Buch: Hasso Wolfe Wuerslin. Mit: Sean Astin, Bruce Campbell, Stacy Keach, Suzanne Turner, John James, Rusty deWees.
:::: gesehen in der Nacht 20./21.1.04 auf VOX

Hab mich über Dinge geärgert, konnte nicht einschlafen, mich nicht auf ein Buch konzentrieren. Also Fernseher wieder an und diesen schlechten Actionfilm angesehen:

Terroristen in einem Skigebiet. Ein Flugzeug mit gestohlenem Nuklearmaterial am Berg. Terroristen wollen an das Material kommen. Sie nehmen Skifahrer als Geislen. Noch dazu droht der Berg zu explodieren. Ansonsten das übliche: Generationskonflikte, harte Kerle gehen tot, weiche Kerle werden am Ende die Helden sein. Und irgend so eine Liebesgeschichte noch, am Ende heiraten sie. Insgesamt halt systemerhaltender Videomarkt-Mist. Hab mich viel zu lange gefragt, wann wohl Terroristen im amerikanischen Kino wieder blonde Haare haben werden? Und hab dann Anschlussfehler gesammelt. War voll damit: Er steht auf, läßt Handschuhe liegen, nächstes Bild, hat Handschuhe an. Stromausfall am Berg durch Terroristen, im Hotelrestaurant brennt Licht, später geht der Strom wieder an, Licht im Hotel immer noch an. Sonne / bewölkter Himmel ganz auffällig. Fliehende Skitouristen in ihren Autos. In jedem Auto nur eine Person. Und so weiter.

Der Film hat trotz des Titels mein Eis nicht gerade gebrochen. War aber unterhaltsam genug, um nicht einzuschlafen. Aber zu viele Filme sehen, soll ja auch nicht unbedingt helfen? Worüber ich mich aufgeregt habe? Eigentlich nichts Schlimmes. Die Handwerker bei meiner Liebsten gehen mir auf die Nerven, und so ein lüsternder Anruf auf der Mailbox...

imdb zum Film
 




Deutschland 2004 - Regie/Kamera: Ulrike Ottinger (ebenfalls Drehbuch, nach dem gleichnamigen Roman von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow); Hauptdarsteller: Georgi Delijew, Genadi Skarga, Swetlana Djagiljewa, Boris Raev, Olga Rawitzkaja, u.v.a. - 198min
:::: gesehen am 20.1.2004, Pressevorführung Berlinale / 34. Int. Forum

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ilja Ilf unf Jewgeni Petrow aus den zwanziger Jahren und schildert eine komödiantische Reise und Schatzuche im Russland von 1927. Eine alte russische Aristokratin lüftet am Sterbebett ihrem Schwiegersohn ihr Geheimnis: Ihren Juwelenschmuck hat sie versteckt in einem von 12 Stühlen, einer nach der Revolution enteigneten Salongarnitur. Der Schwiegersohn, ein ehemaliger Adelsmarschall und Lebemann, der jetzt in der Provinz als Standesbeamter lebt, macht sich daraufhin auf die Jagd nach dem Schmuck. Die Stühle sind inzwischen im ganzen Land verstreut. Sein Widersacher ist der Dorfpfaffe, der der Aristrokratin die letzte Beichte abgenommen hat. Schon bald heftet sich ein gewitzter Gauner an die Fersen des Schwiegersohns. Eine witzige und teilweise rasante Jagd beginnt durch das ganze Land, um die Stühle aufzutreiben.

Ulrike Ottinger benutzt eine bemerkenswerte Mischung von Fiktionalität und aktuellen Bildern der GUS-Staaten. Zusammen mit den Hauptdarstellern in Kostümierungen der 20er entsteht eine nie langweilig werdende, ironische Sicht auf die heutigen und damaligen Verhältnisse. Eine sanfte Komödie, mit viel Gespühr für Details, die sich viel Zeit lässt, in der Erzählung zu schwelgen.

Zur Entstehung:
"2001 reiste ich für meinen Film "Südostpassage" auf der Suche nach jenen blinden Flecken Europas, die heute dem medialen Vergessen preisgegeben sind, von Berlin über Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien nach Odessa. Parallel dazu begab ich mich auf eine literarische Reise und lernte die Romane, Erzählungen und Gedichte dieser Länder kennen. Dabei begegnete ich den Zwölf Stühlen, dem listigen Roman des Odessiter Autorenpaares Ilja Ilf und Jewgeni Petrow. Seit seinem Erscheinen Ende der Zwanziger Jahre ist er eine der vergnüglichsten Beschreibungen der turbulenten Zustände Sowjetrusslands während seiner Aufbauzeit. Heute hält der Roman den im Umbruch befindlichen ehemaligen GUS-Staaten einen präzisen allegorischen Spiegel vor.

Auf zwei weiteren Recherchereisen suchte und fand ich in der Ukraine die Orte und Schauspieler, die im Film zu zentralen Akteuren der Handlung werden: Wilkowo, ein Dorf an der moldawisch-rumänischen Grenze, durchzogen von Kanälen wie ein Kleinvenedig. Nikolajew, ehemals mächtiger Handelsknotenpunkt an der Gabelung zweier Zuströme zum Dnjepr; die Tartarendörfer im gewaltigen Krimgebirge und die eleganten Kurorte zu seinen Füßen, wo die Schwarzmeerküste schon seit dem 19. Jahrhundert Côte d'Azur spielt. Und nicht zuletzt Odessa mit seiner Mischung aus zerfallenen Hinterhöfen, prächtigen Passagen und der Treppe zum Hafen, die auf Schritt und Tritt Bilder von Eisensteins Revolutionsfilm Panzerkreuzer Potjemkin hervorruft. Diese Orte sind nicht nur Bühne sondern Mitspieler im Film. Sie und die Menschen, die sie im Alltag bevölkern, agieren als Komplizen oder Gegner der beiden Protagonisten Ostap und Ippolit auf der Jagd nach ihrem materiellen Glück.
Die beiden Hauptdarsteller sind wie die Autoren des Romans Odessiter. Georgi Deliev, der Darsteller des Gauners Ostap Bender, ist ein Volksschauspieler im modernen Sinn, der in einem eigenen Theater die Tradition des Burlesken pflegt und durch eine auf ihn zugeschnittene komödiantische Fernsehserie, die "Maskenschau", weit über die Ukraine hinaus bekannt ist. Genadi Skarga, der die tragikomische Figur des ehemaligen Adelsmarschalls verkörpert, stammt aus einer Odessiter Theaterdynastie und beherrscht nicht nur das klassische Repertoire der russischen Bühnenliteratur, sondern experimentiert als Regisseur und Schauspieler auch mit den Formen des modernen amerikanischen Dramas.
Die rasante Geschichte ist so eingeflochten in eine dichten Teppich von Personen und Orten, die zugleich von gestern und heute erzählen."
(Ulrike Ottinger)

|www.ulrikeottinger.com |Offizielle Site zum Film
 




Österreich 2003 - Regie: Nina Kusturica - Drehbuch: Barbara Albert - Kamera: Tim Tom - Produktion: Stefan Pfundner - Darsteller: Liese Lyon; Manfred Stella; Mira Miljkovic; Igor Bararon; Dagmar Schwarz; Kurt Huemer; Isabella Campestrini; Lara Felsenreich - 90min
:::: gesehen am 20.1.2004 - Pressevorführung Berlinale / 34. Int. Forum

Es ist nichst Neues, dass sich um die Filmemacherin Barbara Albert, die mit "Nordrand" (1999) international bekannt wurde, in den letzten Jahren eine Gruppe vielversprechender Nachwuchstalente versammelt hat, die dem Österreichischem Film gut zu Gesicht stehen. Mich erstaunt aber immer wieder von Neuem, mit welcher Intensität dieses junge Österreichische Kino das Land unter die Lupe und teilweise gnadenlos auseinander nimmt. So auch der Abschlußfilm der in Sarajevo aufgewachsenen Nina Kusturcia, die an der Filmakademie Wien studierte.

"Versuchen Sie einmal, von einem Planeten zu flüchten", meint ein geschwätzige Taxifahrer fast am Ende des Films, und ist der Meinung, die Erde sei ein Gefängnis. Was er nicht weiss, ist, dass er gerade Margit - auf der Flucht vor ihrem Mann - in ein Frauenhaus fährt. "Auswege" behandelt das Schicksal dreier Frauen. Claudia, Margit und Sladjana, drei sehr unterschiedliche Frauen, haben eines gemeinsam: Die tägliche Begegnung mit Gewalt im eigenen Heim. Das Muster ist immer das Gleiche: Gewalttätige und eifersüchtige Ehemänner oder Lebensgefährten, die sowohl Frau, als auch Kinder wegen Nichtigkeiten schikanieren. Männer am Rande des Nervenausbruchs, Frauen vor der Zerreißprobe Familienhölle. Und die heikle Frage, wann hat das Verzeihen ein Ende wann ist es Zeit zu gehen?

"Wie viele Leute wissen denn, was in der Wohnung nebenan passiert? Ich möchte Filme machen, die sich von der Realität nicht viel entfernen, wo sich aber trotzdem noch etwas auftut." (Nina Kusturica)

Laut Schätzungen ist in Österreich jede fünfte Frau von Gewalt durch ihren Ehemann oder Lebensgefährten betroffen. Nicht der dunkle Park, sondern das eigene Heim ist der gefährlichste Ort. Der "Verein Autonome österreichische Frauenhäuser" ist mit diesem Thema an die Wiener Regisseurin Barbara Albert herangetreten, die das Drehbuch geschrieben hat. In einem Interview meinte sie dazu, es gehe nicht darum, die Geschichte von Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben müssten, für diesen Film auszubeuten und reißerische Bilder zu zeigen oder Männer zu denunzieren. Vielmehr sollte die Geschichte Frauen nicht als Opfer zeigen, sondern ihre Stärken hervorheben; Chancen sollten aufgezeigt werden.

Erschütternd ist der Film, doch ob er wirklich Auswege aufzeigt, sei dahin gestellt. Der Film zeigt zunächst einen sozialen Misstand, Machtgebären und Abhängigkeiten auf. Immer wieder die Unentschlossenheit und Hoffnung der Frauen, der Mann möge sich doch bessern, damit die Beziehung nicht aufgegeben werden muss. Da lebt der Zuschauer das Leid mit, und besonders dann, wenn es doch immer wieder zu Ausfällen der Kotzbrocken kommt. Aber der einzig Ausweg, der sich auftut, ist es, die Nummer des Frauenhauses zu wählen. Das kommt inszenatorisch ein bißchen, wie in einem Propaganda - äh, Verzeihung - Werbefilm rüber. Der Erfinder des Gedanken ist ersichtlich, die Botschaft ist rüber gekommen. Dazu greift Nina Kusturica gelegentlich auf eine ausgebrauchte Symbolsprache zurück, als ob sie der Schlagkraft ihres Filmes nicht trauen würde. Besonders dann, wenn die Wege der Frauen in die neue Freiheit gehen, wird das Geschehen noch mit Symbolik aufgeladen, die so platt nicht nötig wäre, da der Zuschauer eh schon bei der Sache ist. Wenn Margit z.B. endlich ihren Mann verlässt, ist das eigentlich schon befreiend genug für sie und den Zuschauer. Aber neben ihrer Reisetasche nimmt sie eine kleine Pflanze mit, die sie vor dem Wind schützen muss. An diesen (wenigen) Stellen unterschätzt der Film sich selber und greift auf Klischeedarstellungen zurück, die ärgerlich sind und der an sich stilsicher realistisch gehaltenen Inszenierung widersprechen. Insgesamt aber ein beachtlicher Debutfilm, mit tollen Schauspielern und einem aufreibendem, sozialkritischen Thema.
 




Dokumentarfilm Auswahlsichtung für die GFT am 19.1.2004 bei mir.


BAR NA VICTORII (A Bar at the Victoria Station)
Polen 2003 - Regie: Leszek Dawid - 56min.

Dokudrama über zwei Polen - Piotr und Marek - die nach London fahren auf der Suche nach einem Job. Ihr Traum: Eine eigene kleine Bar. Doch angekommen in London sind die Jobangebote, die aus der Ferne so lukrativ schienen, nichts wert. Schon gar nicht, wenn man keine Arbeitserlaubnis hat. Die beiden Polen, die nichtmal genug Englisch sprechen, schlagen sich von einer Telefonzelle zur nächsten und mit jedem Job-Telefonat sinkt die Motivation. Gefilmt im Direct-Cinema-Stil vermischt der Film "dokumentarisches" mit dramatisierter Handlung, ist dann aber doch wieder zu flach inszeniert, um ein Spielfilm zu sein.


DAS WIRST DU NIE VERSTEHEN
Österreich 2003 - Regie: Anja Salomonowitz - 52min

"In meinem Film geht es um drei Frauen, die dem, was in der Geschichtswissenschaft als Täter- und Opfergeneration bezeichnet wird, angehören. Mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten, unterschiedlichen Erzählungen und Erinnerungen leben sie alle in einer Familie, in meiner Familie" (Anja Salomonowitz)

Anja Salomonowitz porträtiert drei Frauen aus ihrer Familie, die während der NS-Zeit fast noch Mädchen waren, konfrontiert sie mit den unterschiedlichen Erinnerungen, Erlebnissen und Nachwirkungen der Vergangenheit. Alle drei stellen die Geschichte heute unterschiedlich dar. Die Großtante hat Auschwitz überlebt. Das Kindermädchen war Sozialistin und unterstützte ihren Onkel im Widerstand. Die Großmutter lebte während des Krieges in Graz. Sie tat dort, was die meisten taten: nichts. Eine Konfrontation mit Familienmitglieder. In Off-Kommentaren reflektiert die Filmemacherin und situiert sich zwischen Anteilnahme und Abgrenzung.

|Viennale zum Film | Infos zum Film von euro26.at |Inés hat den Film auf der Viennale gesehen


UND DANN NOCH...
So DVDs einer Doku-Reihe vom polnischen Fernsehen, frei übersetzt "Dein Heimatland": Unterschiedliche Interviewer gehen mit einem Umfragebogen von Tür zu Tür und machen Umfragen. Sehr kostengünstig produzierte TV-Dokumentationen.
 








TRISTESSE DELUXE

» just my private blog.


start | über | themen | klowand | fragen? login
RSS-Feed  Online seit 7822 Tagen auf blogger.de
Letztes Update: Thu, 11.02.2010, 03:15

 
Letzte Aktualisierungen
Blog- und Serverumzug
Nach 2311 Tagen auf blogger.de ziehe ich heute um auf...
by tristessedeluxe (2010/02/11 03:15)
Film: A Serious Man
::: gesehen am 21.1.2010 OmU im Odeon USA 2009 - Regie:...
by tristessedeluxe (2010/01/22 04:22)
...
Das Kind ist jetzt in dem Alter angekommen, in dem...
by tristessedeluxe (2010/01/20 21:14)
Film: Razzia sur la chnouf
:::: gesehen am 17.1.2010 auf arte(Razzia in Paris)...
by tristessedeluxe (2010/01/20 12:39)
Neues Open Source Road...
BMW K100 in Zentralrussland, originally uploaded...
by tristessedeluxe (2010/01/19 23:14)
Meine Social Media Identitäten
Blogroll




Letzte Fotos auf flickr /