Mein eigener, geheimen Anspruch hier täglich was reinzuschreiben, lässt mich täglich scheitern. So hat man praktischerweise immer ein schlechtes Gewissen.

Sei es drum. Ich geh jetzt ersteinmal paddeln im Brandenburgischen mit einer Horde iPhone-Nerds. Bin gespannt, wer als erstes weint, weil der Akku nicht mehr mitmacht, oder das Teil ins Wasser gefallen ist.

PS: Gestern war mein letzter Tag auf dem alten Job.
 




Schweigen ist Gold

Dieses Foto wurde mit einem Handy auf flickr.com hochgeladen, wie man das schon seit vielen Jahren mit jedem Handy kann, dass eine Kamera hat und MMS und/oder E-Mails versenden kann. Und eigentlich wollt ich zu der ganzen Sache schweigen, aber ...

Der heutige Sturm im Wasserglas war davon geprägt, dass eine Bloggerin, die auf dem Namen Frau Schnutinger hört, sich entschlossen hat, nicht mehr im sogenannten Web 2.0 aktiv zu sein. Vorangegangen war der Start einer großen Werbekampagne eines großen Mobilfunkproviders, in der leider etwas glücklos versucht wird, jene Sorte von Menschen zu umarmen, die ins Internet reinschreiben, Fotos und Videos von ihren Erlebnissen hochladen und sich auch mobil auf dem Handy nicht von ihrer bevorzugten Kommunikationstechnik, dem Internet, trennen können und wollen. Also, so Leute, wie Sie und ich es sind und wie es Frau Schnutinger vielleicht war. Diese umfangreiche Kampagne schließt neben TV-Spots, Plakaten und dem normalen Anzeigenzeugs auch "Social Media Marketing" mit ein. Werbung also. Schön und gut. Braucht der Medienmensch im heutigen System, wie die Luft zum Leben. Frau Schnutinger ist Teil davon, weil sie offenbar ein bestimmtes Bloggerinnen-Stereotyp bedient. Im TV-Spot ist sie ganz kurz als Mutter mit einem Baby zu sehen, die auf einem begrüntem Dach einer Großstadt irgendwas am Computer macht. Und gestern hat Frau Schnutinger unter ihrem Realnamen im Blog des Mobilfunkanbieters einen etwas unglücklichen PR-Beitrag über sich, wie sie das Internet nutzt und ihr neues Handy veröffentlichen lassen. Unglücklich ist der Text für mich, weil er sich anbiedert. Er biedert sich an an die vermeintlichen LeserInnen, an den Werbetreibenden und auch an das Testhandy selber. Ich möchte diesen Artikel eigentlich nicht direkt verlinken, denn der ganze Salat wird ja eh schon viel zu wichtig genommen. Das Ganze ist gewohnt emotional beim Felix Schwenzel losgetreten und er steigt auch gleich mit dem betreffenden Textausschnitt ein - und ein ganz klein wenig Textkritik darf erlaubt sein. In dem PR-Beitrag wird beschrieben, wie wirklich, wirklich praktisch wenig Knöpfe das Testhandy hat, dass man damit Fotos auf die Foto-Sharing-Plattform flickr.com hochladen kann und dass zusammen mit dem Testhandy offenbar eine SIM-Karte mitgeliefert wurde, weshalb sich die Bloggerin keine Sorgen mehr über Online-Kosten machen müsse. Toll, wenn das einzige technische Herausstellungsmerkmal für das schicke Handy etwas ist, was heute wirklich beinahe jedes Handy kann. Das soll sicherlich ironisch gemeint sein, kommt aber in diesem Kontext auf dem Weblog eines Mobilfunkbetreibers nur ziemlich blöde als gebloggter Blondinenwitz rüber. Von dem ganzen Genderkram, den sowas theoretisch lostritt ganz zu schweigen, Frau Schnutinger hat wohl offenbar den Umfang und die Wirkung auf die eigene Persönlichkeitsphäre einer solchen Kampagne nicht so recht erfasst. Und dass, obwohl sie durch ihr eigenes Weblog doch durchaus etwas Übung mit Selbstdarstellung und vordergründigem Humor im Internet hat. Dass es auch anders geht, mit einem derartigen Marketing-Angebot umzugehen, ohne die Selbstachtung zu verlieren, zeigt Kosmar, er ist ebenfalls in die Kampagne als Sekundengesicht im TV-Spot und als Testhandytester involviert.

Womit ich zum eigentlichen Punkt komme, der mich interessiert. Denn die ganze Welle ist ja in Wirklichkeit gar nicht so groß, is ja nur Internetz. Malte Welding gibt den Versuch einer emotions-psychologischen Analyse des Rücktritts von Schnutinger und genau darüber habe ich heute im Büro und auf dem Spielplatz auch die ganze Zeit nachdenken müssen. Mich wundert nicht die Schieflage der Kampagne, sondern mich interessiert, wie unterschiedliche Protagonisten der Kampagne damit umgehen. Und dass jetzt jemand wie Frau Schnutinger offenbar so überwältigt von der Medienwirkung "Werbung" ist, dass sie ihre Onlineaktivitäten einstellt, bzw. zurückschraubt, bestärkt mich, mich weiter mit einem Thema zu befassen, das mir in den letzten Monate immer klarer erscheint.

Im Mittelpunkt meiner Gedanken steht dabei sowohl die "Interaktion" zwischen Medienfiguren und Mediennutzern als auch die "Beziehungen", die das Publikum zu den Protagonisten der Medien unterhält. Man kennt es aus dem Fernsehen: Wenn etwa ein TV-Showmaster seine Zuschauer begrüßt, wenn Seifenopern-Rezipienten ihre Lieblingsprotagonisten anhimmeln, wenn NachrichtensprecherInnen zum fast ständigen Begleiter des Publikums werden, baut sich ein gewisses Beziehungsverhältnis auf. Innerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaft spricht man hierbei von "parasozialen Interaktionen", bzw. von "parasozialen Beziehungen". Theoretisch geht das zurück bis zum frühen Radio. Mich würde interessieren, das Ganze auf das soziale Internet auszuweiten. Denn anders als bei Radio und TV werden wir durch das Ins-Internet-Uploaden alle im kleinen oder wie im Fall Frau Schnutinger im größeren Maßstab zu Medien-Personæ. Also zu medial-vermittelten Figuren, die unter Umständen nicht mehr unserem eigenen Bild von uns entsprechen. Und da fangen die Probleme an: Wie fühlt es sich denn eigentlich an, wenn wir alle vom Gegenüber ein medial-vermitteltes Bild haben. Wie gehe ich damit um, wenn ich an der Imbissbude plötzlich von wildfremden Leuten, die ich zwar aus dem Internet kenne, angesprochen werde, weil die mich aus dem Internet kennen. Spannende Sache also! Daher mein Aufruf: Wenn jemand dafür eine/n interessierten DoktorvaterMutter in der Nähe von Berlin kennt mit weit offenem Stipendientopf - her damit! Es muss auch kein Doktortitel dabei rausspringen, ein ordentlicher Buchvertrag wäre auch schon okay. Ich hab auch bereits einen catchy Titel: "Web 2.0 als Beziehungskiste". Also: wenn wer einen Tipp hat, schicke ich gern mein drei-seitiges Treatment.

Schließen möchte ich mit einem (unbezahltem) Literaturhinweis aus dem E-Mail-Newsletter eines mir bekannten Kleinverlegers. Ich finde, als Kommentar zu der ganzen Social Marketing Aufregung, den die VF-Kampagne da evoziert hat, ist das ganz passend, vielleicht interessiert Sie das ja auch:
Dank der Verhaltensbiologie, Informatik und Biotechnologie hat sich die moderne Rinderhaltung vollkommen automatisiert. Das Zauberwort der schönen neuen Kuhstallwelt, deren Schöpfer stets behaupten, die Tiere könnten sich frei bewegen und würden artgerecht gehalten, lautet: Herdenmanagement. Wie in modernen Kuhställen öffnen sich heute Türen nur nach einer elektronischen Identifikation. Der Bankomat funktioniert wie ein moderner Kraftfutterausgabeautomat. Die automatisierte Tieridentifikation, Voraussetzung für jedes effiziente Herdenmanagement, findet sich in Krankenhäusern, Altenheimen, Gefängnissen, an Universitäten oder in der Verwaltung.
Ohne die Erfahrungen der Rinderhaltung wäre die heutige Reproduktionsmedizin nicht zu denken. Die moderne Rinderhaltung ist Experimentierraum wie Modell künftiger Herrschaft und Kontrolle. Nicht anders als Kühe liefern wir an zahllosen Schnittstellen die für unsere Bewirtschaftung nötigen Daten. Nicht anders als Kühe werden wir zu ständiger Bewegung gezwungen und verwechseln Freiheit mit dem Zwang, zwischen vorgegebenen Angeboten wählen zu müssen. Wie das Rind konsumieren wir unsere Unterwerfung. Die Verkuhung der Welt ist nicht aufzuhalten. (Klappentext: Bernhard Kathan:
"Schöne neue Kuhstallwelt - Herrschaft, Kontrolle und Rinderhaltung"
)

 





Photo uploaded by tristessedeluxe.

... nass geworden
... mit neuem Telefon gespielt
... viel über Internet geredet
... lecker gegessen
... Bier und Schnaps getrunken
... Farbe im Gesicht bekommen
... schnell Auto gefahren und dabei laut Musik gehört

Immer noch gut gelaunt.


 




Viele kennen sicher das US-Archiv archiv.org in dem man unter vielem anderen auch kostenlos Zugang auf Public-Domain-Filme bekommt. Zu meiner Zeit als Filmwissenschaftler war das schon eine willkommene Anlaufstelle.

Das gibt es jetzt auch für Europa: Filmarchives online ermöglicht einfachen und kostenfreien Zugang zu Bestandinformationen von Filmarchiven aus ganz Europa. Über das mehrsprachige Portal können Filme nach Inhalt, filmografischen Angaben und physischen Eigenschaften gesucht werden. Die Suchergebnisse informieren über die Verwahrungsorte der jeweiligen Kopie und bieten Kontaktinformationen der Archive um den Zugang zu erleichtern. Der Fokus der Datenbank liegt auf nicht-fiktionalem Material: Dokumentar- und Unterrichtsfilmen, Wochenschauen, Werbe-, Industrie-, Reise- und Sportfilmen sowie Animationsfilmen.

Drauf gestoßen bin ich über diesen Beitrag im Deutschlandradio, der auch ein wenig auf die lizenzrechtlichen Bedingungen von Downloads dieser Filme eingeht.
 




Wenn Sie mal bitte schauen wollen: Da rechts am Rand oben wird automatisch gezählt, wie lange dieses Weblog schon beschrieben wird. Jetzt in diesem Moment steht da "Online seit 2100 Tagen". Im Jahr 2100 bin ich wahrscheinlich dann tot. Hier bloggt der Chef persönlich seit 5,7534247 Jahren.

Dieser automatische Tageszähler da rechts ist immer latent Thema. Der macht sich wichtig, Schwanzvergleich, oder die Zahl an sich erinnert an Jahreszahlen. Geburtsjahre etwa, das eigene oder die von Ex-Freundinnen. Oder historische Jahreszahlen. Das Ende des 2. Weltkriegs war auch so ein Moment, wo mir der Zähler auffiel und ich noch bei mir dachte, jetzt aber aus dem Gröbsten raus zu sein. Ist man ja aber doch nie.

Ansonsten war heute ein normaler, ruhiger Tag. Etwas warm. Wenig Aufregung. Das Kind hat sich das erste Mal das Knie aufgeschürft beim Steine in Teich werfen im Stadtpark.
 




Wir wollen nochmals an unsere Recordreleaseparty am Freitag im Prater erinnern. Wir sind total gut drauf und dann grillen wir auch noch auf der Strasse direkt vor dem Bums. Kommt alle vorbei dann küssen wir uns alle und weinen vor Glück..... Und kommt pünktlich, wir fangen echt schon so früh an.

[kam gerade in einem Newsletter rein, hab ich mich drüber gefreut]
 




08.07.2009

Heute auf dem Weg zum Spielplatz, endlich mal auf die Mauer geachtet mit der einen graublauen Kachel. Dann hat es geregnet, wir haben in der Lokomotive auf dem Spielplatz gesessen und Buttercroissants gegessen.
 




Nun blinkt jetzt seit zwei Stunden der Cursor im Textfeld und wartet drauf, dass in zwei Stunden hier was über das Skandälchen mit der Piratenpartei steht. Nach einigem Gelese in Kommentaren von Blogs wie hier, habe ich keine Lust mehr auf Meinungsfreiheit. Hab ich einfach satt. Alles verbieten!

Miss Sophie dazu:
Am krassesten fand ich Argumentation (bei mspro in den Kommentaren durchdiskutiert): Wer gegen die Zensursula-Pläne gekämpft hat, der darf jetzt konsequenterweise nichts gegen Äußerungen sagen, die den Holocaust relativieren/leugnen, weil es geht ja in beiden Fällen um die Erhaltung der Meinungsfreiheit. Bitte? Geht’s noch? Zu sagen, Meinungsfreiheit gelte absolut, hieße Kinderpornographie de facto zu legalisieren. Denn da schwingt mit, alles im Raum stehenzulassen, was irgendjemand irgendwo und in irgendeinem Medium äußert. Und darum ging es mitnichten. Es ging und geht bei der Zensursula-Debatte um einen Weg der transparenten und rechtsstaatlichen Auseinandersetzung mit strafrechtlich relevanten Inhalten, was eben nicht von einer kleinen Elite hinter verschlossenen Türen, verborgen vor den prüfenden Augen und Köpfen der Öffentlichkeit, stattfinden darf.

Don Dahlmann dazu:
Ich bin ja eigentlich auch eher so ein bürgerlicher Sozial-Liberaler. Ich denke, der Staat soll sich aus meinem Leben weitesgehend raushalten. Ich zahle meine Steuern, halte mich an die Gesetze und ansonsten hätte ich gerne, dass der Staat sich um seine staatliche Dinge kümmert und schaut, das da alles vernünftig läuft. Ich habe aber seit einigen Jahren das Gefühl, dass es genau andersrum läuft. Der Staat interessiert sich zunehmen für das, was ich so mache, während er in anderen Bereichen überhaupt nicht mehr präsent ist.

Und vor allem Johnny Haessler dazu (besonders die Fußnote):
Und da ich selten so viele arrogante und pöbelnde Mails erhalten habe wie zu meinen Artikeln über die Piratenpartei (bis hin zu Aufforderungen, die Artikel zu ändern): Bitte, liebe Freunde der Piratenpartei, ich verstehe, wie schwer es ist, sich mit etwas komplizierteren Geschichten auseinanderzusetzen, wenn man sich doch gerade so darüber freut, endlich einen politischen Hafen gefunden zu haben, der ob seiner Übersichtlichkeit scheinbar so einfach zu verstehen ist. Nur ist meine Welt nicht ganz so übersichtlich und besteht auch nicht allein aus dem Internet. Nochmal: Die Piratenpartei könnte eine Zukunft haben. Dafür darf sie aber vor der Gegenwart nicht die Augen verschließen. Und was den oft geforderten Welpenschutz angeht: Ich soll der Partei bei so komplexen Themen wie Urheberrecht, Patenten und Datenschutz in ihrer Kompetenz und Expertise vertrauen und sie für voll nehmen, bei weit klarereren innerparteilichen Herausforderungen aber „ein Auge zudrücken“? Nö.

Man sollte nicht derart dumm und laut mit den Säbeln rasseln, wie es da z.Zt. der Kindergarten-Flügel der Piratenpartei praktiziert. Natürlich wäre es wünschenswert und dringend nötig, dass es in Deutschland eine demokratisch wählbare, politische Opposition gäbe, die sich gut mit dem kulturellen Wandel und den Gefahren auskennt, den die Digitalisierung unserer Gesellschaft mit sich bringt. Eine Opposition, die dieses Auskennen auch adäquat in die Politik tragen kann, sich über Medienwirkung und Agenda-Setting bewusst ist. Mein Eindruck von der Piratenpartei auf der Demonstration in Berlin gegen Netzsperren, die von den Piraten organisiert wurde, war jedoch sehr ernüchternd, was diesen Wunsch angeht.

Aber ich sehe einen Silberstreif am Horizont! Denn (Achtung Werbung!) Horst Schlämmer kandiert für die Bundestagswahl. Ist doch ne gute Alternative zur Piratenpartei, oder?
 




In der letzen Folge von Fringe erklärt der wirre Dr. Walter Bishop der schönen Agentin Olivia Dunham, dass unsere vermeintliche Wahrnehmung des Lebens als Linearität trügerisch sei und stattdessen man das Leben als Multidimension denken muss. Erlebe man ein Déjà-vu, sei das ein kurzer Einblick, ein vager Schatten der eigenen Existenz in einer Paralleldimension. Die Mischung aus "Twilightzone", "Akte X" und CSI-Grenzwissenschaften macht "Fringe" für mich einigermaßen erträglich, obwohl es ansonsten eine von amerikanischen Konservatismen durchdrungene FOX-Serie ist.

Eine Art Déjà-vu hatte ich heute, als ich folgenden Kurzfilm (über das Blog von The Junction) sah, denn wahrscheinlich wäre ich in einer Parallelwelt wohl europäischer Ethnologe geworden (damals noch NC-frei) und würde jetzt kleine Web-Dokumentarfilme über die modernen Stämme europäischer Metropolen drehen:



Dieser Kurzfilm THE LOST TRIBES OF NEW YORK CITY von Carolyn und Andy London zeigt animierte Objekte in den Straßen New Yorks, die Interviews über ihr Leben im Melting Pot geben. Auf humorvolle Weise werden die Gegenstände zu Gesichern. Typen verschiedener Ethnien und der immer wiederkehrende Mythos von New York als dem Prototyp des Amerikanischen Multikulturalismus wird konterkariert. Carolyn und Andy London sind Kultur- und Stadtantrophologen, sie gründeten 1999 ihre eigene Produktionsfirma ‘London Squared Productions‘.

Andererseits, vielleicht ist die Auseinandersetzung mit Blicken in Pipilotti Rists ca. 12-minütigem Videokunstkollage Entslastlungen AKA Pipilolottis Fehler (1988) in einer Paralleldimension auch nichts weiter als eine Internettheorie:
"I see. You see. I see you seeing. You see me seeing. I want to show what I see. You want to show what you see. Nirvana in the rose garden".
 




# Eben gerade war da wieder der unförmige, nackte Mann auf dem Balkon im ersten Stock in der Dingensstraße, den ich sonst nur wahrnehme, wenn ich schon viel zu trunken und deswegen das alles als einen bösen Traum, der dann aber wohl doch nie ein Traum war, mir aber deswegen tagsüber immer noch traumatisch in den Alltag nachhängt als vages Gefühl, wenn ich da lang muss und will. Die blasse, nächtliche Erinnerung der Dinge die ich sah, sagte und verlor. Egal ob morgens in Eile auf dem Rad zum Büro, mit den lästigen Einkäufen zurück, oder mit dem Kinderwagen dahin, wo das Paradies für kleine, tanzende und singende Mädchen ist: "Bin ich das jetzt, oder war da irgendwie vorhin ein unförmiger, nackter Mann, oder so, oder wie?"

# Als ich gerade meine Straße runterkam, zwei vehemente Eindrücke kurz hintereinander, danach ein dritter Eindruck, über den ich mich freue, über den ich aber ebenso umso irritierter bin. Also: Mein Blick traditionell nach links gewandt, zur lahmen Stammkneipe. Erstens gut, dass um halb drei überhaupt noch offen. Zweitens gut, noch Stühle draußen (mit Leuten drauf!). Drinnen dann die übliche tote Hose, das Stammpublikum (heimliche Kiffer und PR-Strategen). Dann nach rechts mein Blick in diese Familienküche im Parterre, wo immer jemand ist, und wenn da keiner ist zumindest ein Laptop auf dem Küchentisch laut surrt, Zeitungen, ein Sausen ein Browsen, Kleinkinder wahrscheinlich auch dort. Und in dem Moment, wo ich eben rein schielte - ein konzentrierter Vierer-Spieleabend mit Weisswein. Und wo ich mich doch sonst so gerne und überschwänglich über Spieleabende effauchieren kann, gerade eben in dem Moment war mir die Bar mit den einsamen Wölfen einfach ein kleines Stück weniger lieb, als das gemeinsame Kartenspiel der vier Weinkenner. Nur, natürlich, einladen hätte man sich da nun auch nicht mehr können.

# Weiter meines Weges dann Drittens: Noch den beiden oben ausgeführten Eindrücken und der daraus folgenden, eventuell möglichen Erkenntnis nachhängend, fuhr einige Meter vor mir unvermittelt ein Auto an, hupte kurz und der traurige Asiate winkte freudig und lange aus seinem Fenster dem Auto hinterher. Der traurige Asiate sitzt sonst immer und immer und zu jeder Zeit vor seinem Dell-Desktop-Rechner (den er auch tatsächlich auf dem Schreibtisch stehen hat). Immer hat er Licht an und sitzt vor seinem Rechner und dort codet er vor sich hin oder spielt World of Warcraft. Gegenüber von seinem Monitor steht ein spärlich gefülltes Regal mit IT-Büchern und so Tempelfigürchen aus der Heimat. Der traurige Asiate hat wohl auch ein Kind und eine Frau. Einmal sah ich ihn mit einem Jungen auf seinem Schoß und sie hatten gemeinsam Freude vor dem Dell-Rechner. Ich sehe den traurigen Asiaten immer versunken am Rechner. Immer Nachts, manchmal tagsüber. Aber da bin ich auch mit anderen Dingen beschäftigt. Kurzum, komme ich nach Hause im Dunkeln, beim traurigen Asiaten ist noch Licht an und er sitzt da und macht Sachen am Computer. Der traurige Asiate wirkte gerade ungewohnt glücklich, wie er da aus seinem Fenster hing und dem Auto hinterher winkte. Er jubelte beinahe.

# Ich will grillen! Mit Freunden! Und jubelnd Autos hinterher winken!

# Es gibt immer irgendwo noch viel süßere Katzenfotos.
 




Michael Jackson sei tot, hörte ich gerade in der Bar. Das sei sogar schon auf Spiegel Online zu lesen. Daraufhin gab es noch einen weiteren kostenlosen Wodka für alle. Gute Bar. Als wir die Bar verließen, stolperte uns ein junger Mensch entgegen, ob wir schon gehört hätten, Michael Jackson sei gestorben. Ist ein wenig, wie mit dem Tod von Diana. Wenn Pop-Ikonen sterben. Diese Huh-Huh-Hüllen, dieses Agidprop der Popkultur, wenn die Blasen platzen und man viel spürt, aber auch nicht mehr bleibt als heisse Luft.

Daher erstmal dieses Video (Michael Jackson - Dirty Diana):



Damals hörte ich Musik noch im (oder auf dem) Walkman, auf dem Weg zur Schule. Das Album "Bad" habe ich das erste mal bewusst an einem Regentag morgens im Bus auf dem Weg zur Schule gehört. Von Schallplatte kopiert auf Kassette von einem Kumpel, ohne dass das damals schon in irgendeiner Weise urheberrechtlich problematisch war. Damals hatte ich so meine Zweifel mit Michael Jackson. War ja Pop. Ich stand irgendwie eher auf elektrische Gitarren. Doch in jenem Bus an jenem Regentag machte "Dirty Diana" sehr viel Sinn für mich. Erwachende Jungs-Sexualität auch, die da rein spielt. Und das bisschen Englisch, was ich verstand, erzählte von einer verletzten Seele, die sich zwischen Groupies und naja, sowas wie Heimat im Selbstzweifel mit der eigene Rolle als Superstar und eben jener verletzen Seele findet. Das konnte ich verstehen. Besonders die letzen Sekunden des Videos zeigen diese Leere zwischen Bühnenperformance und dem Wunsch nach Zurückgezogenheit. - - - Eben in der Retrospektiver des Videos fällt mir nur auf, dass die Nase damals schon ... und der Gitarrist sieht aus wie der eine vom Tokio Hotel. Trotzdem, diese schattigen Frauenbeine - in den 1980er war das für eine junge Jungenseele schon viel mehr, als man zu träumen vermochte.

Ganz anders gelagert war das dann schon vorher mit "Thriller" und mir und meinen Eltern. Als "Thiller" in der öffentlichrechtlichen Musiksendung "Formel Eins" Premiere im deutschen Fernsehen hatte, erlebte ich das erste mal TV-Zensur. Vormals war es mir immer irgendwie erlaubt, Fernsehen zu sehen. Musikvideos auf "Formel Eins", oder Serien am Abend, oder am Wochenende alles, was da so kam. Ich konnte in diesem Rahmen damals so gar nicht verstehen, warum ich diese Deutschlandpremiere von der Langfassung des Thriller-Videos im TV nicht beiwohnen durfte. Wahrscheinlich hatte mal wieder ein medienkompetenter Altschnösel bei "Die Zeit" dazwischengeschossen. Jedenfalls, ich durfte das Video nicht im Fernsehen sehen, sondern musste mir das dann über wenige Umwege auf VHS-Tape auf dem Schulhof besorgen. Aber schaut nochmal selber: Micheal Jackson - Thriller (Full version, 13 min). So fett krass war das nicht, um das so vehement zu verbieten. Für seine Zeit krass, aber verkraftbar, weil filmhistorisch nur noch Zitat einer Filmgattung, die in den 1980ern langsam in den subkulturellen Mainstream gedrungen war. Es war damals wie heute mit dem Internet und den Politikern. Wir, als 12-Jährige hatten Zombies schon längst als Geisterbahn-Kunstfiguren und populärkulturelle Kommunikationsmetapher verstanden. Für unsere Eltern waren Scheintote aber noch gar nicht abbildbar. Ich nehme das meinen Eltern nicht übel. Was ich ihnen aber übel nehme ist, dass sie mir in ähnlicher Zeit verboten haben, "Traumschiff" zu sehen ("Das sind da alles Zombies, schlimm, schlimm").

Das war's dann auch schon von mir und Michael Jackson. Zu dem ganzen Kinderfickerkram kann ich nichts sagen. Drogen und Macht und Naivität und Jugendstarrsinn sind ein schwieriges Gefüge. Gerade erst heute musste ich wieder drei Müttern auf dem Spielplatz bei ihrem lautstarken Gespräch zuhören: Sie sprachen über das Fernseh-Casting ihrer Kleinkinder, was sie gerade hinter sich hatten. Medienhuren.
 




# Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich will mich auch nur kurz melden, denn es gibt nicht viel Neues. Heute z.B. wieder Bett, Kita, Büro, Kita, Wohnung, Apotheke, Bioladen, Spieli, Küche, Sofa, Bett. Das mag nach Alltagstrott klingen, bin aber sehr froh mit dem Tag. Wir sind alle etwas verschnupft.

# Letzte Woche war Urlaub. Da, wo wir hin wollten, waren die 44. Bukower Rosentage. Keine Unterkunft mehr frei und wenn man da auf das Programm schaut, nun ja. Haben uns dann entschieden - beide erleichtert - dass irgendwann einmal nachzuholen.

# Viel Arbeit am Selbst. Mir schicken zur Zeit einige Freunde, Kollegen und Verwandte ganz tolle E-Mails, in dem sie über ihr Bild von mir berichten. Das ist erstaunlich, wo es klare Überscheidungen zwischen Fremdbild und Selbstbild gibt und an welchen Stellen es Lücken in meiner Selbstwahrnehmung gibt.

# Heute wurde ich von einer britischen PR-Agentur für Online-Buzz und Viraldings angeschrieben. Die machen gerade Online-Marketing für einen aktuellen Roboter-Actionfilm. Jedenfalls würden die gerne, dass ich hier einen Link veröffentliche, auf dem man dann ein "Augmented Reality" Programm sehen kann. Mit der Sache wäre es dann möglich, mit Hilfe einer Webcam, eine Robotermaske auf sein eigenes Gesicht zu setzen. Außerdem kann man mit der Webcam ein Zielobjekt auswählen und dann einen Roboter darauf "herumlaufen" lassen. Das solle alles einen Riesenspaß machen und es lohne sich auf jeden Fall, da mal reinzugucken, so der Kollege von der Insel. Und vielleicht interessiere sowas ja auch meine Blogleser. Interessiert Euch sowas? Da wir uns ja gerade in Zeiten befinden, in denen ein Trend zur Internetinhaltekontrolle vorherrscht, erspare ich Euch mal den Buzz-Link. Ich hab's mir kurz angeschaut, ich glaube, das MUSS ich euch einfach vorenthalten.

# Apropos virale Mundpropaganda. Ich bin dabei mir ein iPhone 3G zu besorgen. Das N95 nervt mich.
 




Mütter wissen mehr von einem, als man immer so denkt (Respekt).
 





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Heute wurde vom Deutschen Bundestag offiziell die Internetzensur in Deutschland beschlossen und damit der 5. Artikel des Grundgesetzes verletzt. Jetzt bin ich ziemlich politikverdrossen.


 




:::: gesehen am 14.6.09 auf pro7

Großbritannien / USA 2005 - Regie: Garth Jennings - mit: Martin Freeman, Sam Rockwell, Mos Def, Zooey Deschanel, John Malkovich, Stephen Fry, Alan Rickman



Muss man eigentlich nicht viele Worte drüber verlieren, dass das Kult-Buch auf Wortwitz beruht, dass ein darauf folgendes Hörspiel auf Wortwitz beruht, dass eine billig produzierte BBC-TV-Serie keine großen Bild- und Spezialeffekte auffahren kann und deshalb sich auf den Wortwitz der Vorlage konzentrieren muss, und dass schließlich ein schicker Kinofilm von 2005 dann mit Effekten und Gedöns auf Slapstick statt auf Wortwitz setzt. Gegen die Ausbeutung seiner ureigenen popkulturellen Erinnerung kommt man wohl nur an, wenn man Verwertungsrechte sammelt.

Als vielleicht 10-Jähriger hatte ich zufällig die TV-Serie (UK, 1981) entdeckt. Die kam wohl irgendwann sonntagvormittags im Öffentlich-Rechtlichen, glaube ich. Das war ein unschlagbares, heimliches Vergnügen. Ähnlich zufällig hatte ich im selben Alter den Ramones-Film Rock 'n' Roll High School (USA, 1979) im Fernsehen gesehen. Früher barg das Fernsehen noch Wunder für mich. Das Schillern der Popkultur ähnlich dem Schillern des Benzins auf den Wasserpfützen meiner Kindheit.
 






Ach ja, der jüdische Humor. Das Thema habe ich ja auch etwas aus den Augen verloren, seitdem ich mich vor Jahren - noch im Rahmens meines Studiums - mal ausführlicher mit Formen des jüdischen Humors in der Sitcom "Seinfeld" beschäftigt hatte. Die Selbstironie, mit der eine Religion über sich selbst lachen kann, der Selbstzweifel, die Doppeldeutigkeiten, die Wortspiele ...

All das finde ich wieder auf der wunderbaren Seite Old Jews Telling Jokes. Dort erzählen, wie der Name es sagt, ältere Juden Witze. Nicht mehr, nicht weniger. Jede Woche ein neues kurzes Video. Man kann die Videos auch als Videopodcast abonnieren (schön für's iPhone z.B.).

(via)
 




Inspiriert von Bosch seiner Blogparade: Soundtrack seines Lebens (und weil ich gerade überhaupt nicht mit dem voran kommen, was ich eigentlich machen wollte) werd ich heute mal beginnen, ein wenig in meiner Musiksozialisation zu kramen. Ich denke, das ist nicht uninteressant und in lockerer Folge, kann man das durchaus mal machen.



Es begann mit Karel Gott in einem nicht wenig unbekannten Land aber dafür vor relativ langer Zeit. Von 1977 ist der Titelsong der Kinderserie "Die Biene Maja" und ich bin damit vermutlich mit fünf Jahren in Berührung gekommen. "Die Biene Maja - Folge 5" war meine allererste eigene Schallplatte. Schallplatte wohlgemerkt, denn CDs kamen meinen Eltern erst weit nach meinem Auszug Mitte/Ende der 1990ern ins Haus. Man wusste ja damals nicht, ob diese neumodische Technik sich durchsetzten würde. Folgerichtig haben meine Eltern auch bis heute noch keinen DVD-Player.

Meine Eltern hatten sich im Anschluss an oder zusammen mit einem Schwarzweiss-Fernseher von Blaupunkt Anfang der 1970er eine Kompaktanlage gekauft, die Radio und Schallplatten in Stereo spielen konnte. Das war seinerzeit ein ganz schickes Ding, weiss-schwarzes Design, Rauchglasabdeckung aus Plastik, abgerundete Ecken angelehnt an so Klassiker von Braun mit zehn berührungsempfindlichen Senderstationstasten. Für die damalige Zeit ein Novum: eine Schaltung basierend auf Sensoren, die nicht auf Druck, sondern auf Berührung reagierten! In Miniatur heute perfektioniert in Touchscreens vorzufinden. Und ja, man konnte die Stationstasten auch mit einem befeuchteten Wattestäbchen bedienen.

Auf dieser Radio-Schallplatteneinheit lernte ich also die Kunst des halbautomatischen Schallplattenspielens. Die Tonträgersammlung meiner Eltern war nicht sonderlich interessant für einen Fünfjährigen. Als Erstgeborener war ich folglich umso glücklicher, meine erste eigene Kinder-LP geschenkt zu bekommen. Auf der Scheibe war die Tonspur der TV-Serie, also die Folgen "Wie die Grille befreit wurde" und "Max wird operiert" auf Seite 1 und "Maja und die kleine Raupe" sowie "Die Fahrt in der Limonadenflasche" auf Seite 2. Vorneweg trällerte Karel Gott immer das Biene-Maja-Lied und als ich der Hörspiele statt wurde, habe ich lediglich immer und immer wieder die Titelmelodie gespielt. Ich erinnere mich, dass dadurch ganz zuletzt auch ein Sprung in der Schallplatte gekommen war, sodass lediglich der sich wiederholende Loop von Karl Gotts gesungenem "Maaaaja *knack* Maaaaja *knack* Maaaaja *knack* ..." für einige Tage meine Kindheit vertonte. Die rechte Lautsprecherbox der Anlage gab, so ich mich recht erinnern kann, schon in den frühen 1980ern den Geist auf.


Die Biene Maja (5), Produktionsjahr 1977
 






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:::: gesehen am 17.1.2010 auf arte(Razzia in Paris)...
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