Das Kind ist jetzt in dem Alter angekommen, in dem ich Kinder als ziemlich anstrengend empfinde. Eigener Kopf, Vieles wollen ohne zu können, argumentationsresistent, lärmend und unordentlich. Eine typisch Internetcommunitynutzerin, sozusagen. Nachwuchs eben und das bleibt jetzt die nächsten 30 Jahre so, vermutlich. Ich habe einfach noch nicht meine Überlebensstrategie angepasst. Die sind einem in ihrer Entwicklung ja immer eine Nasenlänge voraus. Aber immerhin mache ich jetzt meine Bierflaschen mit einem 8er-Duplo-Stein auf, denn mein Flaschenöffner ist Objekt der Begierde geworden und zum wiederholten mal verschwunden.
Wiederholter Versuch, konzentriert zu arbeiten, dabei wiederholt ablenken lassen, zum Beispiel mit der knapp einstündigen BBC-Doku "German Electronic Music History". Noch ist Zeit und ich habe noch nicht den richtigen Hebel gefunden, den Stein ins Rollen zu bringen.
Ansonsten heute nachgedacht über die neue Blüte der TagebuchbloggerInnen. Dabei aber vielleicht nur ein klein bisschen Feuer gefangen.
Das Kind hat am Sonntag mit Fingerfarben Fische gemalt. Sie hat noch nie lebendige Fische gesehen, dachte ich mir. Daher heute bei Karstadt am Hermannplatz gewesen, dem Kind in der Tierhandlung dort Fische gezeigt. Hasen und Mäuse und Vögel waren spannender. Zum Abendessen gab es gebratenen Seelachs aus der Tiefkühltruhe.
Wenn man ein Kind hat und sich mit dem Kind auseinandersetzt und viel beobachtet, kommt einem der ganze verflixte Kram wieder hoch, den man eigentlich mal an sich verändern wollte, aber aus Bequemlichkeit doch besser nur so ein bisschen verdrängt hat. Und auf einmal tritt das alles wieder los und du bist gefordert. Auf dem Spielplatz willst du gegenüber Bratznasen nicht mehr so reagieren, wie du immer gegenüber Bratznasen reagiert hast. Das hört nie auf im Leben mit dem Sich-Durchsetzen. Muss man immer ... überlegen wo man hin will, gucken wie man dahin kommt und wer einem da im Weg steht.
Hallo, es ist Himmelfahrt, Herrentag, Vatertag, Familientag. Durch einen Tweet von misscaro bin ich heute früh noch im Bett auf das englischsprachige Weblog glow in the woods aufmerksam geworden, dass von und für Eltern geschrieben ist, die ihre Kinder verloren haben. Natürlich nicht verwunderlich, dass zu so einem Thema man nur ehrfürchtig mitlesen und still Anteil nehmen kann. Selber mag ich mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn ...
Vatersein. Seit etwas mehr als einem Jahr ist das bei mir tägliches Rollenfindungsthema in Heavy-Rotation, dass schnell von dem One-Hit-Wonder "Vaterwerden" abgelöst wurde. Man muss es niemanden erklären, jeder weiß es: ein Kind zu bekommen ist ein einschneidendes Erlebnis im Leben, dass man erst vollends emphatisch nachvollziehen kann, wenn es schon zu spät ist. Plötzlich ist man mitten drin und konnte sich doch nicht angemessen darauf vorbereiten. Das Thema der neuen Väter kursiert ja nun schon seit einiger Zeit, nur ich hab mich natürlich erst jetzt damit auseinandergesetzt, weil es mich vorher einfach nicht anging. Trotzdem habe ich noch immer kein Account in der Community von ichbinpapa.de.
Dass sich in den letzten Jahren neue Vaterrollen heraus kristallisiert haben, ist nichts Neues. Eine Vielzahl an Vaterbüchern, die keine Spurensuche nach dem eigenen Vater sind, sondern Kolumnen, Ratgeber und Erfahrungsberichte von Vätern für Väter, zeugen auf dem Buchmarkt von dieser Welle der familiär-sorgenden Väter. Das Phänomen dieser Neue-Vaterrolle-Bücher hatte bereits im November 2001 Wiglaf Droste in seiner Glosse über die Schreibtischväter aufgedeckt. Und in gewisser Weise stimmt es ja auch, was Droste beklagt: Vieles von der Väterliteratur ist ziemlich selbstreferenzieller Quark. Oft genug stand ich in Buchhandlungen blätternd vor dem Elternratgeber-Regal und habe doch nie ein Väterbuch gekauft.
Ich wage die steile These zu formulieren: Die meisten Väterbücher werden in Gegenden geschrieben, die entweder der Prenzlauer Berg sind, oder sich ähnlich anfühlen. Dort eben, wo die heutigen, medienschaffenden Väter und Autoren so zu Hause sind. Doch jeder, der irgendwas mit Medien macht und sich mit Meinungsbildung auskennt, weiß: Was mediales Thema ist, muss nicht gleichzeitig gesellschaftliche Relevanz haben. Der Prenzlauer Berg ist nicht Abbild der Bundesrepublik, auch wenn dort am Prenzlauer Berg sich für manche Mitglieder der jüngeren Medienelite der Alltag abspielt. Wo ich wohne, hier in Schöneberg, wohnt beispielsweise eher die ältere Medienelite und man kann von einer lebhaften Schwulenkultur sprechen. Daher kloppen wir frischen Eltern uns hier auch nicht alle wie blöde um die begehrtesten Kita-Plätze.
Ich bin von jeher kein Freund von starren, exklusiven Rollenidentifkationen. Jedenfalls nicht auf jene kataloghafte Art, wie man sie in handelsüblichen Väterbüchern vorfindet. Und ich suche gedanklich immer dann das Weite, wenn Leute sich zu sehr mit einer Rolle indentifizieren. Genau, wie die perfekte "Supermami" auf die Nerven geht, gehen Vaterrollen-Väter auf die Nerven. Und dabei bin ich natürlich selber einer, halbtags und an den meisten Feiertagen. Doch es ist alles natürlich nicht so leicht. Viele frische Väter, die ich auf dem Spielplatz beobachte, hadern sicher genauso wie ich mit der Vaterrolle. Man ist tagsüber mit einem Kind auf dem Spielplatz Vater alleine unter Müttern (und ich rede nicht von jenen Anzugträgern mit Blackberry, die dann irgendwann gegen 16:30 Uhr mit ihren Kindern auf dem Spielplatz tummeln). Aus den lautstarken Bekundungen der deutschen Hartz IV-Muttis auf unserem Spielplatz an der Ecke, lässt sich schließen, dass in der Gesellschaft immer noch jenes Bild vorherrscht, jeder Kerl, der sich einfühlsam und ausgiebig um sein Kind kümmert, sei eine Sissy. Zum Glück war ich schon immer eine Sissy, man kommt also klar damit.
Harald Martenstein hat sich im "Kultur SPIEGEL" (im Oktober 2006) mal mit dem neuen "Vaterland" beschäftigt und geht auf heutige Vatertypen ein, die der französische Psychologe Jean Le Camus in seinem Buch "Vater sein heute" beschreibt:
"Der "Fürsorgliche Vater" hat sich schon vor Jahren in Filmen wie "Kramer gegen Kramer" oder "Drei Männer und ein Baby" angekündigt. Er ist ein Mann, der Breichen kocht, aufs Töpfchen setzt und in den Schlaf wiegt. Allerdings scheinen die Kinder trotz allen männlichen Breichenkochens und trotz des Emanzipationsdiskurses hartnäckig auf dem Unterschied zwischen Männern und Frauen zu bestehen. Le Camus zitiert Untersuchungen, nach denen sich Kinder auch bei gleichgewichtiger Rollenverteilung im Falle eines Wehwehchens lieber von der Mutter trösten lassen, während sie den Vater als Spielgefährten mindestens genauso attraktiv finden. Die Mutter scheint in der Entwicklung für "Bindung" zuständig zu sein, der Vater für "Erkundung". Und Väter, auch extrem fürsorgliche, bleiben Abenteurer und Raubeine, sie loben seltener und ermutigen häufiger als Mütter."
Dies habe die Wissenschaft herausgefunden. Also sind doch die Kinder Schuld an meinen Rollenbildsorgen. Die Kinder werden von der Natur (oh je, die bösen Gene!) gezwungen, in Rollenklischees zu fühlen und zu handeln. Leider ist auch das mal wieder alles nicht so leicht, wie die französischen Theoretiker sich das mit ihrer traditionell hergebrachten Klassengesellschaft immer wieder so vorstellen wollen. Aber ich kann natürlich auch nicht das Gegenteil beweisen (alles ist kulturgesellschaftlich determiniert) und wahrscheinlich ist es die Mischung aus Natur und Kultur.
Wie finde ich mich aber nun zurecht in meiner eigenen Vaterrolle mit all dem Diskurs-Ballast, in einer monogamen, heterosexuallen Beziehung und mit lebhaftem Interesse (und hin und wieder Genervtheit) am Kind? Lesen hilft, wie man sich denken mag, nicht viel. Wenn ich aber nur aus dem Bauch heraus handele, entdecke ich in mir oft meinen Vater und dessen Vater wieder. Nicht alles war schlimm und falsch. Zuviel Konzept in der Erziehung verblendet, aber auch bloß nicht die Fehler der Vorgängergenerationen wiederholen. Und das Dilemma reicht ja noch viel weiter, denn nicht nur die Väter, nein überhaupt die Männerrollen sind am Wanken, wie es ganz treffend im neuen Pirsch-Blog zusammengefasst wird: Von Sissy zu Siegfried – Was Männer wirklich lernen müssen.
Optimistisch gesehen muss ich mir also, wie ich aus obigem Pirsch-Artikel lerne, meine Rollenkonflikte als flexible Rollenmodelle zwischen Macho und Softie verstehen, die ich situativ kombinieren darf. Ich muss nicht mehr "one size fits all"-Klischees entsprechen, sondern darf Rollen switchen. Nun gut, das kann ich. Kann mich nicht erinnern, je etwas anderes gemacht zu haben. Ist nur die Frage, wann das "Alles-ist-erlaubt"-Modell so in der Gesellschaft angekommen ist, dass ich mich um die Akzeptanz meiner selbst gebastelten Vaterrolle nicht mehr scheren muss.
Vor einem Jahr wurdest du da hinten rechts auf der anderen Seite des Ufers geboren. Wir sind glücklich, dass es dich gibt, dass du so liebenswürdig, lebhaft und gesund bist. Die Leute im Bus lächeln dich jetzt nicht mehr von alleine an. Du bist jetzt schon Kleinkind, nicht mehr Wurm. Das Leben als sozial-familäre Gemeinschaft hat weniger Änderungen mit sich gebracht, als ich befürchtet hatte. Gewisse Einschränkungen würde ich eher qualitativ als Konzentration bezeichnen.
Vorhin war ich mit meiner Tochter auf ihrem zweiten Babygeburtstag. Um genauer zu sein: nicht wir hatten Geburtstag, sondern ihre Freundin aus der Nachbarschaft, die sie beim Mutter-Kind-Yoga kennen gelernt hat. Ein Brunch. Andere Eltern mit ihren Babys waren auch da. Man hat also mal so auf anderer Ebene mit Leuten zu tun, die man sonst eher nicht in seinem Umfeld pflegt. Gibt solche und solche Leute. Für mich bestätigt hat sich wieder einmal: Von den Juristen sind manche voll okay (jene, die eigentlich das Studium über nur gekifft und Quake gespielt haben). Aber Menschen in der Politik, oder in Berufsfeldern nah an der Politik, kommen einfach auf persönlicher Ebene überhaupt sehr schwer aus der Kurve. Mann, Mann, Mann - ein Babybrunch ist doch kein Society-Event, komm mal runter vom hohen Ross, Blondchen. Dementsprechend locker oder eben auch verkrampft der Umgang mit dem Nachwuchs.
Man kommt zu nichts mit so einem Säugling. Großeltern und Urgroßmutter zu Besuch. Mamas Geburtstag. Haushalt. Fehlende Dinge besorgen. Milchstau. Dann Milchüberproduktion. Neuer Schlafrhythmus. Neue Vitamine. Neue Rituale. Neues Auto.
Kurz mal Abstand aus dieser Klinik-Dramaturgie. Feierabendstau genossen, um Ruhe nachzutanken und in mich hinein zu fühlen. Diese Glückshormone gestern nach der Geburt waren der Hammer. Das hat geflasht. Und das war nicht synthetisch. Das war the real shit, aber irgendwann kommt bestimmt - dass kennt man ja - der Kater.
Hier die Stille zu Hause tut gut. Katze füttern und am Schwanz ziehen, den Großeltern Babyfotos mailen und noch mal googlen, was der Name des Babys jetzt eigentlich bedeutet. Gute Wahl: an erster Stelle findet Google eine Katheter-Manufaktur mit gleichem Namen. Lade gerade noch sechs Fotos bei Flickr hoch und bin mir nicht sicher, wie das mit diesem Dings, dieser Privatsphäre eigentlich zu handhaben ist. Hatte ja eigentlich vor, das CTG live per XML ins Weblog zu tickern... Dieses Weblog wird sicher kein Babytagebuch, soviel steht fest. Das wird die Kleine dann schon früh genug selber entscheiden, wie sie mit dem Internet umgehen will. Ist ja auch ein wenig vergleichbar mit einer Religionszugehörigkeit, die Entscheidung, wie viele Spuren man im Internet hinterlassen möchte. Gibt ja Leute, die da gleich eine Domain registrieren und in Babytalk das gesamte Leben des Kindes drauf laden. Das ist nicht mein Ding. Und die werte Mutter selber ist da ja eh schon eher zimperlich.
Daher nur Fotos ohne Köpfe. Aber alle Beteiligten sind gesund und alles ist dran. Die Kleine mag noch nicht so richtig essen, aber das werde schon werden versichern uns alle. Und sie verschläft gern den ganzen Tag. Da kommt sie nach ihrem Vater, schätze ich.
Und hier noch, für die eigene, ausgelagerte Erinnerungsmaschinerie, was ich über die Stunden in der Babyklinik live vom Handy getwittert habe:
Ach ja, Danke allen hier für die guten Wünsche, hat mir auf meinen Klo-Pausen im Kreissaal sehr geholfen, weiter Mut & Kraft zu geben. about 2 hours ago
Will noch nicht richtig trinken und schläft nur. Bin jetzt mal raus aus dieser Babyklinik-Dramaturgie. Stadtstau zum Nachdenken genossen. about 2 hours ago
Nacht gut überstanden. Gleich gehts zum Workshop "Handling von Baby 1.0" about 11 hours ago
Oh Mann, das flasht ja ziemlich geil. about 21 hours ago
Ein Mädchen. Zu dritt ist man weniger allein. about 23 hours ago
Gewisse Ermüdungserscheinungen auf beiden Seiten. Ruhe finden. Hebamme sagt, das sei jetzt das Ende der Eröffnungsphase. 06:07 PM February 03, 2008
Oha. Stetiger Stellungswechsel. Nicht leicht, da eine ordentliche Reihe an Herztönen aufzuzeichnen. 04:24 PM February 03, 2008
Jetzt sind Dosenpfirsiche gefragt. 02:45 PM February 03, 2008
Langsam merk ich's auch im Rücken. Beziehen jetzt den Kreissaal. 02:01 PM February 03, 2008
Die Worte "schöner Befund" rühren mich. Jetzt Mittagessen. Dann wieder raus durch den Park. Laufen ist besser als sitzen oder liegen. 12:50 PM February 03, 2008
CTG, Wehen und Pulsschlag. Am Morgen etwas Stress. Nach Spaziergang an Havel alles wieder entspannt. 11:22 AM February 03, 2008
Auskundschaften, wie hier jetzt nach dem Schichtwechsel die Hebammen drauf sind. Vergessen, Schlappen einzupacken. Blauer Himmel. 08:55 AM February 03, 2008
Ausgewachsene Wehen sind das noch nicht. Aber die behalten uns hier, sollen erstmal noch ausruhen für das was da noch kommen wird. N8 06:37 AM February 03, 2008
Nett hier. Alles in warmen Farben. Wird wohl noch etwas dauern alles. 05:26 AM February 03, 2008
Fahren dann mal jetzt in die Klinik. 04:39 AM February 03, 2008
Kinderbett aufgebaut. 03:41 AM February 03, 2008
Ja, hier stabilisiert sich was mit den Wehen. Ich mach mal erstmal Kaffee. Dann kleine Nachtwanderung um Block. 03:02 AM February 03, 2008
Wir nennen es Vorwehen. 01:59 AM February 03, 2008
Nerv. Bekomm das neue WLAN-Modem nicht ans Laufen. 12:22 AM February 03, 2008