Spanien 2007; Regie: F. Javier Gutiérrez; mit: Víctor Clavijo, Mariana Cordero, Eduard Fernández, Juan Galván, Elvira de Armiñán, Ana de las Cuevas, Daniel Casadellá; 93 min.
Ein Psychopate und ein Weltuntergang. Es bleiben noch drei Tage, bis ein riesiger Meteorit auf die Erde trifft. Ale - ein junger Tagelöhner - möchte im Angesicht der Apokalypse nur noch Schallplatten hören und sich betrinken. Seine Mutter zwingt ihn aber mit ihr zum Haus des Bruders zu fahren, wo dessen vier Kinder allein gelassen auf ihre Eltern warten. Im allgemeinen Chaos brechen Hochkriminelle aus den Gefängnissen aus, darunter auch ein kindermordender Psycho, dessen letztes Ziel eben jenes Haus ist, mit dem er eine dunkle Vergangenheit verbindet.
Vor dem Hintergrund der Apokalypse wird ein ziemlich gewalttätiger Psychothriller erzählt. Ale kämpft verzweifelt darum, dass der Psycho den vier Kindern nichts antut. Alle Facetten des Genres werden durchgespielt, jeder Schock- und Gruselmoment bis auf das Letzte ausgekostet. Doch was filmhandwerkliche gelungen ist, will sich trotzdem nicht zu einem plausiblem Ganzen vermengen. Die eigentliche Narration hinkt dem Spektakel hinterher. Stellen Sie sich vor, dass in 72 Stunden die Welt untergeht. Was würden Sie tun? Was würden Ihre Nachbarn tun? Was Ihre Angehörigen? Und der Rest der Welt? Die als Ausgangssituation interessante Vermengung eines Katastrophenfilms mit einem Psychothriller dient letztendlich aber nur dafür, dass am Ende der unterlegene Ale den Bösewicht mithilfe des Meteoriden zur Strecke bringen kann. Deux ex Machina. Insgesamt ist das alles ziemlich schwammig, erschöpft sich im Spektakel und hinterlässt den Gesamteindruck einer unreflektierten Mixtur aus Actionfilmelementen. Weltuntergangsszenarien und Psychopaten gibt es aber im Kino wie Sand am Meer. Die Konkurrenz ist da groß und die Kombination von beidem macht noch lange keinen guten Film. Der etwas oberflächig wirkende Ansatz des Films vertieft sich im Filmgespräch mit dem Regisseur nach dem Film. Es sei ein modernes Märchen, was er erzählen möchte. Sein Film habe wenig mit der Gesellschaft zu tun, sondern soll unterhalten. Das Gewaltdarstellungen in Märchen jedoch meist vielschichtig durchdrungen sind, sowohl tauglich für Kinder als auch für Erwachsene, und dass Märchenhandlungen zwischen den Zeilen noch unglaublich viel Menschheitsgeschichte transportieren, scheint vergessen worden zu sein. Eben so wie die Einsicht, dass im Märchen die Helden durch ihre Handlungen alternieren, es meist ein Happy End gibt und eher selten die unausweichliche Apokalypse. Also kein Märchen, sondern ein nur pessimistischer Actionthriller. Obwohl - wenn ich es mit recht überlege - ist das pessimistische Ende eigentlich das Beste am Film: Bösewicht ist besiegt, guter Held erhält als Bonus die hübsche Frau, aber trotzdem unausweichlicher Weltuntergang. Rums, Vorhang, Ende Gelände. Keine Moral und kein "wenn sie nicht gestorben wären..."
Japan 2007; Regie: Naoko Ogigami; mit: Satomi Kobayashi, Mikako Ichikawa, Ryo Kase, Ken Mitsuishi, Masako Motai; 106 min
Die Professorin Taeko macht Urlaub auf einer Insel im Süden Japans. Über die Ruhe der Inselbewohner und das innige Nichtstun ist sie zunächst verwundert. Außer Eislutschen und auf das Meer hinaus zu starren gibt es nicht viel zu tun. Mit der Zeit passt sie sich aber an den Lebensstil der Bewohner an.
Entschleunigung ist das Thema des Films. Die Regisseurin Naoko Ogigami hat mit ihrem vierten Film ein weiteres Mal einen paradiesischen Mikrokosmos entworfen. Man muss den Film atmen wollen, sich dem Zug der Bilder hingeben und darf den leisen Humor nicht mit lauten Lachern verscheuchen (wie der Herr die Reihe vor mir). Ein bisschen erinnert hier der Müßiggang am Strand an den stummen Humor in Die Ferien des Monsieur Hulots - nur eben mit viel weniger Chaos, Aufregung und Slapstick. Ein ruhiger wie splieniger Film, der sich Zeit nimmt und mit langem, ruhigem Bildern in einem wunderschönen Setting. Doch warum alle Figuren Brillen tragen und der Film danach betitelt ist, das hätte ich schon noch gern wissen wollen. Vielleicht nur so eine lustige Idee, vielleicht aber auch mehr.
Mazedonien, Frankreich, Belgien, Slowenien 2007; Regie: Teona Strugar Mitevska; mit: Labina Mitevska, Ana Kostovska, Nikolina Kujaca, Xhevdet Jasari; 102 min.
Im heutigen Mazedonien, in der kleinen Industriestadt Titov Veles spielend, erzählt der Film die Geschichte dreier Schwestern, die jede auf ihre Art versuchen, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Die Älteste ist drogenabhängig, die Mittlere kämpft darum, ein Visum zu bekommen und die Jüngste weigert sich zu sprechen und versucht krampfhaft schwanger zu werden. Als die Mutter der drei Schwestern mit einem neureichen Fabrikbesitzer abhaut, dreht sich alles um das vorgezeichneter Schicksal der jungen Frauen.
Ein Film, für den man ausgeschlafen sein sollte, denn verkünstelt wird inszeniert und verdichtet sind die Symbolebenen. Man muss keine tiefen Hintergrundkenntnisse über den jugoslawischen Sozialismus haben (wie in manch anderen Filmen aus den Balkanländern), die Frauenfiguren und ihr Lebens- und Liebeswillen sind tief genug gezeichnet, um eine Fülle an Interpretationen über die Rolle der Frauen im Post-Sozialismus zu eröffnen. Vielleicht sind es aber doch auch zu viele Bedeutungsebenen. Der Film schafft eine merkwürdige Atmosphäre, die aus einer Mischung von Klaustrophobie und Freiheit besteht. Ich bin mit dem Gefühl aus dem Film gekommen, das Alles nicht vollends verstanden zu haben. Lag aber sicher daran, dass ich müde war.
Debutfilm der jungen Regisseurin, die aus einer bekannten, mazedonischen Künstlerfamilie kommt, und herrlich eloquent und mit Nachdruck darüber berichtete, wie wichtig es für die neue Generation an Kulturschaffenden des heutigen Mazedoniens sei, ausgetretene Pfade zu verlassen und die Grenzen des Machbaren zu erweitern. Privileg des Künstlerkindes ist auch ein Hauch von elitärem Kulturverständnis.