Der Kinochef wünscht sich Tests für die Filmvorführer. Als Termin angesetzt wurden vor ein paar Wochen morgen und übermorgen. Bis jetzt haben wir keine Uhrzeit und keine Regelungen für den Test bekommen. Wir Vorführer sind uns einig: Das ist Quark.
Die mitlesenden Freunde der großen Städte kennen natürlich Holy Shit Shopping, den verkrampft anderen Weihnachtsmarkt, in irgendeiner hippen Location, statt Glühwein gibt's Beck's und einen repräsentativen, den üblichen Designer-Handgemacht-Kram umfassenden Überblick der Jahresproduktion jungstudierter Kunsthandwerker. Ick war da letztes und vorletzes Jahr und geh da dieses Jahr nicht mehr hin.
Aus vielen Gründen: Erstens kann ich jeglichen Weihnachtsmarkt eigentlich erst stressfrei genießen, wenn ich schon alle Geschenke habe. Zweitens hab ich da nichts gekauft, weil man immer die Angst verspürt, dass der arme Kunsthandwerks-Designer da hinter seinem teuer angemieteten Standplatz, Luftsprünge bis über den 12. Januar hinaus machen müsste, wenn mal wirklich jemand was von den teureren Segmenten seines Portfolios kaufen würde. Drittens scheint das deutsche Design-Grundstudium nicht viel mehr her zu geben als Buttons, Taschen, bedruckte T-Shirts und eventuell mal eine nette kleine Einrichtungs-Tünneff-Idee. Ach ja, und Lampen. Und Viertens kann man das jetzt auch alles online aus den USA bestellen - nur viel kreativer zwei-nuller! Auf etsy.com :: is your place to buy and sell all things handmade. Und bei dem derzeitgen Dollarkurs hat man auch noch das Gefühl, Schnäpppchen zu machen. Vielleicht nicht so gut auf den letzten Drücker am 18.12. zu handhaben wie amazon, aber für die erste Shoppingtour jetzt am Wochenende reicht's sicher.
:::: gesehen am Montag im ICE auf der Rückfahrt von Wiesbaden
Großbritannien/USA 2007 - Regie: Juan Carlos Fresnadillo
In einem Monat ist Weihnachten auch schon wieder vorbei! Auf der Rückfahrt von Wiesbaden war mir etwas krank und langweilig und dieser Film war noch auf der Festplatte. Das Original zu diesem Turbo-Zombie-Sequal - 28 Days Later - kenn ich nicht. Ich vermute aber, das konnte man auch alles ohne den ersten Film verstehen.
Keine Ahnung. Inhalt? Gut, kurz: Sechs Monate nach Ausbruch des verheerenden Rage-Virus in England hat die Armee die Infizierten Zombies ausgerottet und in London anfängliche Ordnung wiederhergestellt. Einer der ersten bei der Rückbesiedelung ist Don Harris (Robert Carlyle), der seine Frau Alice (Catherine McCormack) im Stich ließ, um sich vor den Zombiehorden zu retten. Als er mit seinen beiden Kindern, der Teenagerin Tammy (Imogen Poots) und dem 12-jährigen Andy (Mackintosh Muggleton) in die Sicherheitszone zieht, bricht das nun mutierte Virus erneut aus, denn die neue Trägerin der Seuche ist Alice. Ein Kuss wird zum Verhängnis.
Das ist eigentlich alles. Viel krasses Blutgerinsel, viel Militärmacht, viel Rumgerenne durch London. Mir war das fast schon alles zu hektisch da der Horror und irgendwie fehlte mir so ein wenig der Subtext. Vielleicht war ich auch nur zu müde. Diederichsen hat da mal neulich was in der ZEIT drüber geschrieben - das klang schlau – über den Alien im Inneren, der Außerirdische Feind wird zum inneren Virus, und so. Ach, ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das bei Diedrichsen auch alles immer so richtig durchdacht ist. Egal. Die eine Szene von der er schreibt, wo das Bürgerkriegs-Szenario überhand gewinnt und in mehreren Stadien von „kill the infected“ bis „kill everyone“ Zivilisten von Scharfschützen abgeknallt werden, das ist irritierend und kann in Richtung Ohmacht gegenüber dem neuen Terror gedeutet werden. Aber irgendswie ist das auch zu leicht so. War das mit den Zombies früher nicht auch alles immer psychoanalytisch und sexuell konotiert?
Da hab ich mal irgendwo den Trailer (youtube) vor Monaten gesehen, fand den wohl ganz gut und jetzt sitz ich da mit so einem Film, wo ich vielleicht nun doch noch den 1. Teil sehen muss? Kommen da auch so tolle Verfolgungsjagden vor - Familienvolvo gegen Militärhubschrauber? Darum ging es nämlich viel eher: Patchworkfamilien im Spannungsfeld zwischen Biologie und Beruf! Die biologischen Eltern sind dem Virus einheim gefallen, die Kinder werden von Berufsoldaten (einer Biologin und einem Scharfschützen) vor der staatlichen Inneren Sicherheit geschützt. Oder so.
Das Filmbild da oben habe ich von Peter Noster sein Blog geklaut, weil die Promo-Bilder von 20 Century Fox viel zu weichspühlerisch sind. Das ältere Ehepaar aus Dresden im ICE den Sitzplatz hinter mir, fand den Film auch ungewohnt blutig.
Kanada, 2007, 80 min, Regie: Bruce McDonald, Darsteller: Ellen Page, Max McCabe-Lokos, Ari Cohen, Slim Twig, Julian Richings
Es soll sich im Frühjahr zur Berlinale 2007 ertragen haben, dass eine gewisse Unruhe in diesem Film geherrscht hat und Leute scharenweise aus dem Kino gelaufen sind. Nicht wirklich nachvollziehbar, denn "The Tracey Fragments" nutzt die große Leinwand um im Multiscreen-Verfahren eine Filmhandlung zu fragmentieren, Perspektiven zu verschieben, Blickrichtungen des Zuschauers zu verwässern aber dadurch gleichzeitig diese zu öffnen für das wesentliche: Blicke, Innenwelten, Gefühle. Beim allgemeinen, gestressten Switching-Verhalten des Branchenpublikums auf der Berlinale kann man verstehen, dass dem überreizten Freunde der Filmkunst das zu viel werden kann. In Wiesbaden war man am Freitag dankbarer dem Film gegenüber, denn auf dem Exground Filmfest ist kaum einer raus gegangen.
Zu Beginn sitzt die 15-jährige Tracey (fantastisch gespielt von Ellen Page) nur mit einem Duschvorhang bekleidet auf der Rückbank eines Busses und ist auf der Suche nach ihrem kleinen Bruder Sonny, der sich für einen Hund hält. Danach beginnt eine mitreißende Achterbahnfahrt durch die Fragmente der Geschichte dieser jugendlichen Heldin: Stress mit den Eltern, Erniedrigungen von Mitschülern, sinnlose Psychiaterbesuche, unerwiderte Verliebtheit und Flucht in eine Traumwelt. Traceys Versuch, ihren Bruder zu finden, wird jedoch zum realen Alptraum. Mit Splitscreen-Technik und einer nicht chronologischen Erzählstruktur gelingt es McDonald in seinem hervorragenden und mutigen Film, die Gefühlswelt des Mädchens zu spiegeln. (aus dem Exground Festivalkatalog)
Es hat wahrscheinlich etwas mit Filmwahrnehmungs-Erfahrungen zu tun. Für mich stimmt das Timing, die Fragmente fügen sich zu einem herrlichen Bildteppich zusammen. Dann wenn eine Szene fokussiert wird, verschwinden die Einzelframes und auf der gesamten Leinwand ist – klassisch wie gewohnt – ein Bildausschnitt zu sehen. Die Hauptszene, auf die sich dann konzentriert wird. Spannend sind aber eben die beiläufigen Randmomente. Etwa die normalerweise in Schuss-Gegenschuss montierten Blicke zweier Personen finden sich gleichberechtigt nebeneinander und drüber und drunter findet auch noch jeweils ein Frame Platz, der die jeweilige Subjektive der Blicke zeigt. Manchmal – in den schönsten Momenten - fragmentiert sich so eine Filmszene ins Kubistische.
Ansonsten, der Inhalt auch nicht von schlechten Eltern. Der 15-Jährigen da im Film wird ein bisschen viel zugemutet. Erstaunlich, dass sie sich nicht umbringt am Ende. Aber man darf den Film selber neu zusammen schneiden. Das gesamte Video-Footage steht unter Creative Commons und darf für Re-Fragmentierungen verwendet werden. Ich glaub, es steht da gerade sogar ein Wettbewerb aus. Mehr unter www.thetraceyfragments.com oder gleich direkt bei bittorrent.com wo die freundlichen Dateien zur Verfügung stehen.
Hier noch Hintergrundinfos zum Re-Edit Projekt der Tracey Fragmente. Ich bin gespannt, was dabei rauskommen mag:
The Tracey Fragments wurde im September 2007 auf Basis der Creative Commons Attribution im Internet zum Download freigegeben. Insgesamt stehen rund 16 Gigabyte an Filmmaterial zur Verfügung, welches Interessierte und kreative Köpfe über das BitTorrent Netzwerk herunterladen können. Es gibt insgesamt 4 ZIP Archive - eines für jede Drehwoche - welche Hunderte von Quicktime Clips (.mov) beinhalten, die wiederum später größtenteils in Form von einzelnen Fragmenten im finalen Schnitt verwendet worden sind.
Anhand vom Rohmaterial kann man den Film von einer ganz anderen Seite und Perspektive kennen lernen und erlebt die Darsteller gleichzeitig hautnah bei den Dreharbeiten. Auch wenn die Datenmenge riesig ist, ist sie einen Blick wert. Bemerkenswert ist außerdem, dass das Team Tracey diesen Schritt getan hat, bevor der Film im Oktober beziehungsweise November 2007 überhaupt in Kanada und in den USA im Kino angelaufen ist. Dies ist wirklich einzigartig und Fans von Ellen und dem Film sollten diese Chance nutzen, wer weiß wann es wieder ein solches Projekt in der Independent Szene gibt. (Quelle: Ellen Page Fanseite)