:::: gesehen am 15.11.04 auf Video

Deutschland 1996 - Dokumentation von Paul Meyer und Rudolf Kersting - 16mm - s/w - ca. 70min.

Eine wahre Geschichte: Am 3. April 1945 verliert der 19jährige Fallschirmjäger Willi Herold bei heftigen Rückzugsgefechten im deutsch-niederländischen Grenzgebiet die Verbindung zu seiner Einheit. In einem zerschossenen PKW findet er eine unversehrte Hauptmannsuniform und vollzieht blitzschnell die Verwandlung zum Luftwaffenoffizier. Er sammelt andere versprengte Soldaten und bildet eine Einheit, die er wahlweise "Kampfgruppe Herold", "Standgericht Herold" oder "Leibgarde Herold" nennt. Mit ihr unternimmt er abenteuerliche Stoßtruppunternehmen gegen die herannahenden Alliierten. Man führt Frauen im Tross, der Alkohol fließt in Strömen. Die Einheit übernimmt das Emsland-Lager Papenburg, entmachtet die Lagerleitung und lässt zur Initiation 95 Gefangene erschießen, die Fluchtversuche begangen haben sollen. Willkürliche Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Als sich der Feind nähert, verschwindet Herold, der seine Einheit um 20 Gefangene aufgestockt hat, gen Norden. In Leer lässt er fünf Holländer als mutmaßliche Spione erschießen. Als ihn endlich am 30. April eine deutsche Marinestreife enttarnt, hat er über 200 Menschen umbringen lassen. Am 30. Mai wird er ein zweites Mal verhaftet und vor ein britisches Millitärgericht gestellt. (Klappentext vom Video)

Die Sache erinnert an die des Hauptmanns von Köpenik. Doch wo dieser seine Uniform in geordenten Verhältnissen gekauft hat, liegt für Herold die Verwandlung zum Hauptmann im Chaos der letzen Kriegstage am Straßenrand. Ein letzes Stadium des Nazismus als Höllenfahrt, Urfaschismus im Gegensatz zur Schreibtischtat. Ungläubig sitzt man vor dem Wahnsinn, schockiert, wieder nach Erklärungen suchend, die der Film nicht zu geben versucht. Chronologisch werden die Tatsachen nachkonstruiert mithilfe diversen Interviews mit Lagerinsassen und Bewohnern aus dem Emsland. Besonders die Berichte der Frauen, die in Kontakt mit der "Herold Truppe" kamen, lassen einen erschaudern. Der Film ist durchgängig in schwarzweiss auf 16mm gedreht und fühlt sich im dramaturgischen Duktus wie ein Film aus den 50/60ern an. Tatsächlich ist er von 1996 und erhielt den Adolf-Grimme-Preis 1997. Stilistisch arbeitet die Dokumentation stellenweise mit poetisierenden Landschaftsaufnahmen und experimentiert mit visuellen Mitteln, wodurch der Film nicht nur historisch-inhaltlich sonder auch filmästhetisch fesselt.


 


'Film: Der Hauptmann von Muffrika - Eine mörderische Köpenikade'





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