Irland 1992 – vor zwei Jahren wurden in einem Stadtpark in Dublin nachts zwei Deutsche Touristen überfallen, die dort gezeltet hatten. Zwei Jahre später spricht ganz Südirland noch davon, fast jeder, bei dem wir mittrampen, warnt uns, ja nicht wild zu campen. Früher, ja, da wäre das noch gegangen, früher wäre sowieso alles besser gewesen, erzählt uns der alte Fischer, der einen runter gerockten Passat fährt. Er hat zwei Musikkassetten im Auto: irgend so typische Irlandfolklore mit Blechflöten und eine Best-of-Abba. Er legt Abba ein. Das Gespräch stockt. Nach 15 Minuten fragt er, ob wir wüssten, was eigentlich aus Abba geworden ist.
In Dublin kommen wir erst spät in der Nacht an. Die Jugendherbergen sind schon zu oder haben keine Plätze mehr frei. Wir überlegen, unser Zelt im Stadtpark aufzustellen, stellen uns an eine Bushaltestelle am Eingang des Parks, um die Atmosphäre einzuschätzen. Eine Polizeistreife hält, die Officers fragen, woher wir seien, wo wir übernachten und laden uns ein, auf der Polizeiwache im Hof zu campen. Unter Polizeischutz auf einer kleinen Rasenfläche zwischen abgeschleppten Autos liebt es sich noch mal so gut.
Es war der erste gemeinsame Urlaub und wir waren noch gar nicht so lange zusammen. Und als junger Mensch will man raus in die freie Natur zur Ursprünglichkeit. Rückblickend war das dann doch eine ziemliche Tortur – Irland mit Zelt und Rücksäcken. Von wegen Romantik, es hat fast die ganze Zeit geregnet, das Zelt und unser Nerven wurden immer weicher. Echt kein Spaß. Ihr kennt das. Da liegt man da den ganzen Tag im feuchten Zelt irgendwo in einem idyllischen Fischerdorf an der südirländischen Küste hinter dem Hügel da am Hafen, wo einen niemand sieht auf einer der alten, muffelnden Luftmatratze und liest „1984“ auf Englisch. Aber man geht sich irgendwie auf die Nerven. Zum Glück gibt es Kultur: Abends mal mit irischer Folkloremusik oder die Schultheatergruppe hat was von Beckett auf die Beine gestellt.
An diesen Urlaub habe ich beim Einschlafen denken müssen, als es draußen leise tropfte und die kalte Luft durchs Schlafzimmerfenster stömte kroch. Irgendwie wie Irland. Heute morgen dann die halbe Stunde auf dem Fahrrad im strömenden Regen – noch gedacht: „Bindfadenregen“ – die Leipziger runter, LKWs schlagen hohe Wellen auf die Busspur. Mitleidige Blicke von der Frau im Backshop – sie denkt wahrscheinlich, „begossener Pudel“. Ich mutig weiter und jetzt - fehlt mir die Pointe.