:::: gesehen am 17.2.2008 im Colosseum

Russische Föderation2008; Regie: Igor Voloshin; mit: Olga Sutulova, Maria Shalaeva, Artur Smolyaninov, Mikhail Evlanov, Andrey Khabarov; 89 min.



Mein letzter Film auf der Berlinale dieses Jahr und auch nur zufällig gesehen, weil ich einfach Glück hatte. Erfrischend junges, russisches Kino. Rasante Montage, Clipästhetik, super Soundtrack, Story leicht diffus aber nicht gänzlich abwegig. Setdesign und Kostüm eine Augenweide, „Realfuturismus“ würde ich es nennen. Grundatmosphäre nicht ganz schlüssig, „hoffnungsvoll pessimistisch“ würd ich’s bezeichnen. Anna Hoffmann schreibt:
Sie hat das Leben in Moskau satt, also zieht die Krankenschwester Alisa nach St. Petersburg. Ihre Mitbewohner in der Gemeinschaftswohnung sind die beiden Junkies Valera und ihr Freund Toter Mann. Anfänglich kracht es zwischen den beiden Frauen, doch bald verbindet die beiden eine zarte und unverbrüchliche Freundschaft. Zusammen legen sie sich sogar mit der Petersburger Unterwelt an, als Toter Mann entführt wird, weil er seine Schulden nicht bezahlen kann. Das Leben ist hart und unübersichtlich und man muss nach außen ebenso hart und cool sein, um durchzukommen. Dieses Lebensgefühl dient in Nirvana nicht als soziologisches Passepartout, sondern als ästhetische Herausforderung. Mit großer Liebe zum Detail stylt Voloshin seinen Soundtrack, seine Drehorte und vor allem seine Darsteller. Die extravagante Maske und die aufwändigen Kostüme, in denen manche der Protagonisten agieren, die erlesenen Außenaufnahmen aus Petersburg und die opulenten Interieurs lassen an eine Pop-Oper denken, oder an einen als Punk wiedergeborenen Brecht, der noch einmal den V-Effekt erfindet. Und immer wieder meint man, inmitten all dieser visuellen Opulenz kleine Referenzen zu entdecken. Das mag an einem generationsspezifischen Filmkanon liegen oder daran, dass hier einfach ein Ausnahmetalent zum Vorschein kommt. Oder an beidem. (aus: Berlinale Programm)


 




:::: gesehen am 17.2.2008 im CiemaxX 7

Israel, Deutschland, Frankreich 2008; Regie: Eran Riklis; mit: Hiam Abbass, Rona Lipaz-Michael, Doron Tavory, Ali Suliman, Tarik Copty; 106 min.



Muss einem ja jemand sagen, dass der letzte Berlinale-Tag Publikumssonntag ist und man mit der Akkreditierung nirgends mehr reinkommt! Aber dank des äußerst freundlichen Herren aus der Marketingabteilung vom Tip-Magazin, der mir von seinem Freikartenkontingent kurz vor Filmstart noch eine Eintrittskarte abgeben hat, konnte ich wie geplant doch noch den Publikumspreisträger aus dem Panorama sehen.

Mit Publikumspreisen ist das ja meist so eine Sache. Der größte gemeinsame Nenner eines durchwachsenen Publikumsgeschmacks muss nicht automatisch den eigenen Filmgeschmack treffen. Meist gewinnen Komödien oder Filme mit einer eindeutigen politischen Botschaft. So ist es auch der Fall mit Lemon Tree - der Film macht alles richtig und seine Botschaft ist eindeutig. In der Westbank in einem kleinen Palästinenserdorf lebt die verwitwete Salma. Von ihrem verstorbenen Vater hat sie einen kleinen Zitronenbaum-Hain übernommen, mit dessen Ernte sie die allein stehende Frau gerade so sich selber über Wasser halten kann. Als der israelische Verteidigungsminister auf der anderen Seite der „grünen Linie“ in ein Haus einzieht, geraten Selmas Zitronenbäume ins Visier der Personenschützer. Die palästinensischen Zitronenbäume stehen den gehobenen Sicherheitsbedürfnissen des israelischen Ministers im Weg. Kurzerhand sollen die Bäume weg, die vor vielen Generationen von Salmas Familie angepflanzt worden. Salma nimmt sich einen Anwalt, doch es ist ein ungleicher Kampf.

Eigentlich ist es ein kleiner Nachbarschaftsstreit, der eingebettet ist in einen politischen und historischen Konflikt. Dieser politische Konflikt wird durch die Vereinfachung auf privater Ebene empathisch nachvollziehbar. Am Zaun stehen sich zwei Frauen gegenüber – Zalma auf der palästinensischen Seite und die Frau des Ministers auf der israelischen Seite – beide finden sich sogar sympathisch oder wünschen sich zumindest ein friedliches nebeneinander. Doch die äußeren, politischen Bedingungen sind andere. Und so sind beide Figuren Gefangene ihrer Gesellschaftssysteme und des historischen Konflikts. Der Film findet aus diesem Konflikt kein klassisches Happy End, sondern lediglich ein leicht pessimistisches, offenes Ende. Aber das Ziel des Films gelingt: eine emotionale Geschichte um einen abstrakten Konflikt zu erzählen, aus dem beide Parteien nie als Gewinner hervor gehen. Und dabei erzählt der Film erfreulich parteilos.
 








TRISTESSE DELUXE

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