Brasilien, 2006, 104 min, Regie: Cao Hamburger, Darsteller: Michel Joelsas, Germano Haiut, Daniela Piepszyk, Simone Spoladore, Caio Blat, Eduardo Moreira
Der zwölfjährige Brasilaner Mauro fiebert 1970 der Fußballweltmeisterschaft entgegen. Da erklären ihm seine Eltern unvermittelt, sie müssen dringend verreisen, und lassen ihn in der Obhut seines Opas. Der ist jedoch gerade gestorben, also nimmt der jüdische Nachbar den Jungen bei sich auf. Unausgesprochen erzählt der Regisseur in seiner Geschichte über Mauros neue Eindrücke in einer fremden Umgebung auch vom Schrecken der damaligen Militärdiktatur Brasiliens. Eine gelungene Mischung aus Drama und einer jüdischen Komödie. Sehr hilfreich, dass die Sichtweise der Hauptfigur eine Kindliche ist. Er bekommt zwar am Rande die politischen Umstände mit, sie spielen aber nicht die zentrale Rolle. Erst nach und nach erkundet der Junge, dass seine Eltern nicht im Urlaub, sondern ins Exil gegangen sind.
Republik Korea, 2006, 105 min, Regie: Park Chan-wook, Darsteller: Lim Soo-jung, Jung Ji-hoon
Young-goon ist Patientin einer Nervenklinik, denn sie glaubt, sie sei ein Cyborg. Nahrung verweigert sie, stattdessen verpasst sie sich Stromstöße mithilfe ihres Transistorradios, um ihre Batterien aufzuladen. Ihr Gesundheitszustand verbessert sich dadurch natürlich nicht. Unverdrossen trägt das junge Mädchen das Gebiss ihrer Großmutter und spricht mit den Maschinenwesen, seien es nun Automaten oder Lampen. Young-goon ist kein Einzelfall hier. Auch andere Patienten führen Gespräche mit imaginären Gesprächspartnern. Einer hat Angst vor seiner Frau und ist darüber impotent geworden. Ein anderer leidet unter einem Ödipuskomplex. Einer laboriert an einem Schuldkomplex und bittet laufend um Verzeihung. Eine weitere Patientin ist süchtig nach Schönheitsoperationen.
Als Il-soon eingewiesen wird, ändert sich für Young-goon alles. Der gutaussehende junge Mann, der sich gern maskiert, gilt als asozial. Seinen Mitpatienten macht er rasch klar, dass er ihnen leicht ihre Charakterzüge stehlen kann. Mit Young-goon verbindet ihn bald eine scheue Romanze, doch der Gesundheitszustand des Mädchens wird immer labiler. Nach einer Elektroschockbehandlung fühlt sie ihre Batterien aufgeladen - in ihrer Einbildung erschießt sie das Pflegepersonal mit Kugeln, die sie aus den Fingern feuert, während ihr Mund leere Patronenhülsen ausstößt.
Doch in Wahrheit ist Young-goons physischer Zustand besorgniserregend. In seiner Verzweiflung unternimmt der verliebte Il-soon den Versuch, ihr mit Hilfe der anderen Patienten wieder auf die Beine zu helfen. (Berlinale Katalog)
Symphatischer Film. Ich hatte aufgrund der Filmbeschreibung etwas Angst, ob das nicht zu blöde werden würde. Liebe unter Anstaltsinsassen. Aber das Irrenhaus ist in Style und Dekor und mit all den wirklich lustig gespielten Figuren sehr freundlich inszeniert und gibt als Rahmen schöne Möglichkeiten eine nette, kleine, "verrückte" Liebesgeschichte zu erzählen. Koreanisches Kino mal wieder - jung, ironisch und mit frischer Ästhetik. Etwas irritierend der Amoklauf des Cyborgs, zwar ironisierend gebrochen, aber doch arg blutig.
USA, 2006, 108 min, Regie: Steven Soderbergh, Darsteller: George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire
Berlin 1945. Der amerikanische Kriegskorrespondent Jake Geismer soll über die bevorstehende Konferenz von Potsdam berichten. Jake kennt Berlin - einst hat er hier ein Nachrichtenbüro geleitet. Und er hat sich hier verliebt. Das scheint aber Ewigkeiten her zu sein, als er jetzt mit dem Jeep die Berliner Ruinenlandschaft durchquert.
Jakes Fahrer, Corporal Tully, ist auf dem Schwarzmarkt aktiv - er handelt mit allem und jedem und spielt alle Seiten gegeneinander aus, um den besten Preis zu erzielen. Doch das ist durchaus nicht ungewöhnlich. Im Berlin dieser Tage verfolgt jeder eigene Strategien, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Jake ist an Tullys Schiebereien nicht interessiert, dafür aber an Tullys Freundin: Lena Brandt ist jene Frau, die Jake einst geliebt hat. Aber irgendwie hat sie sich verändert. Der Krieg, das entbehrungsreiche Leben in den Ruinen und das Trauma ihrer persönlichen Vergangenheit haben unauslöschliche Spuren in ihr hinterlassen.
Als Tully mit 100.000 Mark in der Tasche und einer Kugel im Rücken in der Sowjetisch Besetzten Zone aufgefunden wird, fühlt sich Jake von den Umständen dieses Mordes angezogen. Vor allem fragt er sich, warum sowohl die amerikanischen als auch die sowjetischen Behörden auffällig wenig Interesse an dem Fall bekunden. Je mehr Jake nachforscht, desto deutlichere Spuren führen zu Lena. "Du hättest nicht nach Berlin zurückkehren sollen", sagt sie zu Jake. Wahrscheinlich ist das der einzige wahre Satz, den er von ihr zu hören bekommen wird.
Steven Soderberghs Film ist ein romantischer Thriller in der Tradition des klassischen Film noir. Er spielt nicht nur im Jahr 1945, sondern wurde auch mit der Kameratechnik der damaligen Zeit gedreht. (Berlinale Katalog)
Ich weiss nicht, ich weiss nicht. Für mich wollte der Film nicht so richtig funktionieren, trotz Pathos und Melodram löste der Film keine Spur von emotionaler Anteilnahme aus. Viel zu sehr steht das stilistische Spiel im Vordergrund, einen alten Noir-Thriller der direkten Nachkriegszeit nach zu inszenieren. Das gelingt auch stilistisch, manchmal fühlt es sich tatsächlich an wie in "Casablanca" oder viel eher noch in Billy Wilders "A Foreign Affair". Doch so recht kann man die Star-Personas Clooney, Blanchett und Maguire gedanklich nicht lösen aus der Gegenwart. Immer wieder ist die zitierte Noir-Geste und das attrappenhafte Nachkriegsberlin eher störend in der Filmwahrnehmung.
Außerdem: Es scheint, in der Urania wird neuerdings zur Berlianle HD gebeamt. Jedenfalls wurde der Film nicht von Film, sondern elektronisch auf die Leinwand gebracht, was auch irritierte. High Definition Hautporen in einer auf alt gemachten Filmästhetik.
Österreich, Deutschland, 2007, 104 min - Regie: Ulrike Ottinger
Mit betörenden Bildern verwandelt PRATER den beliebten Wiener Ort der Sensationen in ein Kinoerlebnis. Praterdynastien erzählen vom Schaustellerleben. Wir begegnen den Nachkommen des "Manns ohne Unterleib", der um 1900 mit Frau und Kindern eine Vielzahl bis heute bestehender Vergnügungsbetriebe gründete. Wir treffen die Besitzer des Schweizerhauses, Manager eines gastronomischen Spitzenbetriebs, deren Vorgänger kaiserliche Jagdtreiber waren, oder den Prater-Heinzi, der ausgemusterte Illusionsmaschinen pfleglich repariert. Zusammen mit den Praterbesuchern von früher und heute reisen wir, ohne uns von der Stelle zu bewegen: Wien verwandelt sich in Klein-Venedig mit Kanälen, Rialtobrücke und Dogenpalast. Und über all dies trägt uns das Riesenrad und bietet uns den Blick über die Dächer von Wien.
Mit Ulrike Ottingers Film PRATER taucht der Kinogänger in ein Universum der Wünsche und Sensationen ein. Die Regisseurin verbindet dabei die Kulturgeschichte des ältesten Vergnügungsparks der Welt mit Einblicken in die Wandelbarkeit der technischen Attraktionen. Zugleich erzählt der Film von Menschen, für die der Prater Ort der Unterhaltung, der Erinnerung oder ganz einfach Lebensmittelpunkt ist. Der Wiener Prater ist eine Wunschmaschine. Mit der neuesten Raumfahrttechnik lässt man sich in den Himmel schießen und in der Geisterbahn trifft man die Monster der Kinogeschichte. Die Wiese (Pratum) - früher Jagdrevier des Kaisers - ist heute Spielwiese für jedermann. Der Sprung durch Raum und Zeit: Hier ist er möglich. (Berlinale Katalog)
Insgesamt eine wirklich schöne Doku, auch wenn ich den Prater gar nicht wirklich, sondern nur aus Filmen kenne. Ich mochte den Humor in den Bildern. Der Film lässt sich treiben, umkreist sein Thema, könnte aber für meinen Geschmack etwas straffer einem roten Faden folgen und tiefer in die Psyche der Österreicher in Bezug auf ihren Vergnügungsmarkt einsteigen. Soll er aber wohl bewusst nicht, man lässt sich halt ähnlich wie tatsächlich auf einem Jahrmarkt von einer Attraktion zur nächsten treiben, lernt hier was, spielt da ein wenig mit Motiven, wundert sich dort und beobachtet die Mitmenschen. Dadurch entsteht eine schönes Mosaik des Praters, ein historisches und gegenwärtiges Bild.