DDR 1971, Regie: Roland Oehme, Mit: Rolf Herricht, Winfried Glatzeder, Marita Böhme, Ilse Voigt, Herbert Köfer, Marianne Wünscher, Katrin Martin, Rolf Kuhlbach, Harald Wandel, Agnes Kraus, Fred Delmare, Gojko Mitic.
Wochentagsüber Fernsehen ist nicht immer lustig. Aber am verschnupfte Montagnachmittag blieb ich an dieser interessanten DEFA-Komödie über die DDR-Familie und die Emanzipation der Frau hängen:
Der junge Akademiker Erwin Graffunda quartiert sich für Feldstudien zum Thema "Emanzipation der Frau" bei einer Künstlerfamilie ein, in der das Chaos herrscht, seitdem die "Oma" wieder geheiratet und den Haushalt seinem Schicksal überlassen hat. Berufliche Verpflichtungen ermöglichen es weder Frau noch Mann, für ihren Haushalt und die drei Kinder so viel Zeit aufzubringen, wie es nötig wäre. Also beschließen die singende Mama und der schauspielernde Papa per Inserat wieder Ordnung in ihr durcheinander geratenes Leben zu bringen. Beide staunen nicht schlecht, als daraufhin ein Mann vor der Tür steht. Dieser "Mann, der nach der Oma kam" weckt natürlich die Neugier der Nachbarn und schon sind die schlimmsten Klatschgeschichten im Umlauf.
Nach der Erzählung von Renate Holland-Moritz "Graffunda räumt auf" drehte Roland Oehme 1971 diesen heiteren, aber auch nachdenkenswerten Film, der zu einem erfolgreichen DEFA Lustspielfilm wurde. Aus heutiger Sicht natürlich interessant, wie Emanzipation dargestellt und argumentiert wird. Der Hauptaugenmerk der Komik des Films liegt in der Ausseinandersetzung damit, dass Männer nichts im Haushalt taugen, Frauen hingegen in ihrer Rolle als Hausfrau sich schwer tun, Männer überhaupt eine Tätigkeit als Hausmann einzugestehen. Um dieses alte Schema aufzubrechen tritt nun Graffunda an, um seine Doktorarbeit über die Emanzipation der Frau mit Praxiserfahrungen zu unterfüttern. Aber es bleibt alles recht reaktionär. Am Ende kehrt der Film zur alten Geschlechterordnung zurück, obwohl bewiesen wurde, dass die Rollenverteilung überwunden werden könnte.
In den Hauptrollen sind der Filmkomiker Rolf Herricht, die singende Marita Böhme und der als Hausmann überdurchschnittlich talentierte Winfried Glatzeder zu sehen. 35 Jahre ist es her, dass Glatzeder Graffunda spielte - als schlaksig-jungenhafte Entdeckung jener Jahre. Der baumlange Wahlberliner mit dem besonderen Kennzeichen der gebrochenen Nase wurde als Graffunda einem größeren Filmpublikum bekannt, zum DDR-Star wurde er ein Jahr später als erfrischend-charmanter Liebhaber neben Angelica Domröse in "Die Legende von Paul und Paula".
"Zum Besonderen dieser Zeitspanne gehört, daß der DEFA ein Erfolgsschub auch in Genres zuteil wird, in denen sie traditionell glücklos war. 1972 ereignet sich der wohl größte Lustspielerfolg: 'Der Mann, der nach der Oma kam'. (...) Bei der Oma ist alles in kinogerechter Balance, aus der die Pointen, Anspielungen, Gags und Frechheiten abgewogen und locker, nie verbissen, abgeschossen werden können." (Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Filme 1946-1992, Herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam, Berlin 1994, S. 246)