Film #10: MONTAG KOMMEN DIE FENSTER
Deutschland, 2006 – Regie: Ulrich Köhler
:::: gesehen am 12.2.2006 im Cinestar8

Eine junge Familie hat in einer neuen Stadt ein Haus gekauft. Die Ärztin Nina und Hausmann Frieder scheinen zunächst gut zu harmonieren, trotz Umzug und Renovierungsstress. Doch langsam bauen sich Zweifel in Nina auf, ob das gewählte Leben, das richtige für sie ist. Eines abends lässt sie Mann und Kind zurück, streift durchs Mittelgebirge und lernt in einem Luxushotel einen alternden Tennisstar kennen. Ninas Ausbruch stellt sich nicht als Explosion dar, gründet sich nicht auf einen Streit, sondern vollzieht sich als flüchtige, vorsichtige Bewegung. Am Montag kommen die neuen Fenster für das Haus. Es sind die falschen, genau wie Frieder und Nina über sich selbst verwundert erkennen müssen, dass sie vielleicht doch nicht füreinander geschaffen sind. Der Film ist gerade durch die verschwommene Zeichnung der Gefühle seiner Charaktere besonders gelungen. Kein klares Ja/Nein-Pattern, sondern wo man hinschaut „ich weiss nicht“ und „vielleicht“ - insgesamt eine allgemeine Ratlosigkeit des Seins (kein Wunder, dass mir das gefällt). Atmosphärisch erinnert das alles ein bisschen an Die linkshändige Frau (Regie Peter Handke bei gleichzeitiger Entsteheung des gleichnamigen Buches). Alles so ruhig und ortlos, voller Bedeutung und unterlegt mit klasssicher Musik.


Film #11: TAE-POONG-TAE-YANG (The Aggressives)
Republik Korea, 2005 – Regie: Jeong Jae-eun
:::: gesehen am 13.2.2006 im ZooPalast4

Eigentlich wollte ich in einen anderen Film, in den ich aber nicht mehr reinflutschen konnte und als einzige Alternative bot sich zeitlich dieser Film aus dem Jugendfilm-Programm der Berlinale an. Persönlich tat es sehr gut zu sehen, dass auch an den Kinderfilmen reges Interesse herrscht und das Kinder auch nicht jammern, wenn der Film auf koreanisch mit englischen Untertiteln kommt. Der Film war okay, aber für mich nicht so wirklich spannend: Der Abiturient Soyo entdeckt für sich das Inline-Skaten und findet Anschluss an eine wilde Skater-Gruppe. Als Mitglied der Clique ändert sich sein Leben radikal. Soyos Einsamkeit verflogen und er blüht im Sport und unter den neuen Freunden auf. Als die Gruppe jedoch wegen eines größeren Sachschadens bei Aufnahmen eines Werbefilms in finanzielle Nöte gerät, droht die Freundschaft auseinander zu brechen. Viele tolle Aufnahmen von Inline-Skating mit Musik unterlegt. Die Story rankt sich eher als Nummernrevue von einem Event zum anderen, die zugrunde liegende Moral der Geschichte ist allemal für Kinder unter 14 geeignet, jedoch nicht die teilweise sehr explizit dargestellte Randerscheinung von Stürzen und Schmerzen. Das hat überrascht: wurden am Anfang des Films Stürze beim Inline-Skating nur angedeutet und genau beim Aufprall geschnitten wird dies im Verlauf des Film genauer thematisiert, einhergehend mit der Steigerung der Probleme des Gruppenzusammenhalts.

Danach war ich etwas frustriert von dem etwas entglittenen Berlinale-Tag (nur 2 Filme, davon einer nicht so der Bringer), bin auf die Going Underground Preisverleihung gegangen, habe eine alte Bekannte wieder getroffen, die jetzt Produktmanagerin einer DVD-Reihe in München ist und mich nach ein-zwei Bier bestens mit dem 2. Sieger unterhalten.
 




Die Staatsbibliothek Berlin macht endlich einen Fernzugriff auf eine nicht geringe Anzahl von Nachschlagewerken und Fachzeitschriften online zugänglich - also nicht nur vom Lesesaal aus, sondern von meinem Sofa aus. Als Student konnte ich früher das nur über den teuren Dial-In ins Campusnetz der Uni. Jetzt brauch ich nur noch wieder ein wissenschaftliches Interesse und ab dafür. Und was lese ich? Pauschalverlängerung per SMS ist jetzt auch möglich? Ach, ich wär so gern wieder Student. Vielleicht doch Doktorarbeit?
 




Jetzt sind die Tage 3, 4, 5 und auch fast der 6. Tag der Berlinale ja schon ein alter Hut und ich kann mich auch kaum mehr an die Filme vom gesamten Wochenende erinnern. Hätt’ste mal gleich aufgeschrieben, denkt sich da das gewissenhafte Blogger-Ego. Aber man kann halt nicht alles haben - Kino, Feiern, Small Talk, Arbeiten, Rosenkaufen und dann auch noch Bloggen? Zum Glück habe ich nicht den Ehrgeiz hier gut ausgearbeitete Filmkritiken zu veröffentlichen und kann einfach schnell ein paar persönliche Eindrücke runterrotzen. Ich bin Blogger, ich darf das.

Film #5: CONTAINER
Schweden, 2006 - Regie: Lukas Moodysson
:::: gesehen am 11.2.2006 im CineStar3

Nicht unbedingt das richtige gewesen für den Start am Samstag, ziemlich viel Zuschauerflucht, aber wenn man sich drauf einließ, ging es eigentlich: „Eine Frau im Körper eines Mannes. Ein Mann im Körper einer Frau. Jesus in Marias Magen. Wasser bricht durch. Es fließt in mich rein. Ich kriege den Deckel nicht zu. Mein Herz ist voll.“ So beschreibt der Regisseur Lukas Moodysson seinen Film. Zu hören ist aus dem Off ein Monolog einer angenehmen weiblichen Stimme, die einen poetischen Stream of Conciousness über Verlangen und Befindlichkeit eines Transsexuellen von mehr oder weniger einleuchtenden Sätzen wie, „wäre ich ein Junge, ich würde den ganzen Tag mit Paris Hilton Sex haben wollen“, bis hin zu eindringlichen Beschreibungen einer krankhaften Homophobie, die auch gegen sich selbst gerichtet sind. In grobkörniger Handkamera werden schwarzweiß Bilder geliefert, die diesen Bewusstseins-, Assoziations- und Gedankenraum mit Bildern füllen. Mehr als „semidokumentarisch“ und „Fotocollage“ allemal. Aber auch wenn ich nicht zu tief in Diskursen der Transsexualität und Genderfragen drinstecke. Der Film ging vor allem durch die ziemlich offensichtliche (Selbst-)Klischeesierung des Transsexuellen gehörig auf die Nerven. Da ging mir mal wieder Fassbinders Elvira näher. Aber wie man es von Moodysons anderen Filmen erwarten konnte auch hier die Schraube der Dramaturgie immer schön bedingungslos abwärts.


Film #6: NACHBEBEN
Schweiz, 2006 - Regie: Stina Werenfels
:::: gesehen am 11.2.2006 im CineStar3

Die Schweizer! Ich mag sie immer mehr. Ein emotional gelungener Film, über einen scheinbar erfolgreichen Investment-Banker, der seinen Chef und dessen Frau zu einem Grillabend in seine luxuriöse Villa am Zürichsee eingeladen hat. Alles große Dramatik, denn natürlich ist etwas faul und langsam entspinnt sich ein Netz von Abhängigkeiten und kleinen Intrigen in dem keiner vor dem anderen sicher sind. Frau gegen Mann, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, alt gegen jung, dünn gegen dick. Inhalt nachzuerzählen wäre müßig, finde ich. Gerade dass, wie sich die Geschichte fort spinnt und was das in der Vergangenheit vergrabene, dunkle Geheimnis der feinen Gesellschaft ist, macht den Film aus. Kennt jemand den deutschen Film „Nackt“, wo sich so ein eleganter Pärchenabend in einer chicen Villa zum psychologischen Desaster wird? Ein bisschen so, gepaart mit dem Dogma-Stil aus „Das Fest“ (ich mein jetzt antikes Drama auf Digital), und die Umweltministerfamilie aus „Agnes und ihre Brüder“ ist auch mit drin.

Film #7: ANGEL FACE
USA, 1952 – Regie: Otto Preminger
:::: gesehen am 11.2.2006 im CinemaxX8

Das schöne an alten Filme im Kino ist das Publikum: Damen und Herren im weltgewandten Alter, die unter einem Filmfestival noch so etwas ähnliches verstehen, wie einen Opernbesuch und sich gut parfümiert in entsprechender Abendgarderobe neben Regiestunden am Einlass drängelnd, während sich jene Regiestudenten über das Aussehen ihrer jeweiligen Regieassistentinnen/praktikantinnen auslassen. Super, Jungs – wenn hier mal 70 seit, macht ihr sicher auch diese nach junger Haut geifernden Altherren-Autorenfilme. Macht’s halt einfach anders als eure Profs. Aber ich schweife ab. Eigentlich gut an alten Filmen im Kino ist, dass die im Fernsehen und auf Video einfach mistig aussehen. Und das ist jetzte mal kein Cineastenklischee. Das erkennt jeder, musste nur hinschauen, z.B. da die Zeichnung der Ränder von Buchstaben da im Titel, oder die Tiefe des Bildes bei unterbelichteten Nachtaufnahmen. Schön auch: Es wurde eine Wochenschau vorneweg gezeigt, um den Zuschauer ungefähr in den Aufführungskontext des Films zu versetzen. Ja und der Film? Ein recht passiver Robert Mitchum verfällt der jungen Jean Simmons, die eine kalt kalkulierende Jungfrau aus der Hölle gibt. Und Action mit Autounfällen kamen auch drin vor, ich war ganz hingerissen.

Film #8: ESPERANZA
Deutschland, 2006 – Regie: Zsolt Bács
:::: gesehen am 11.2.2006 im CinemaxX1

Kleines, deutsches Kammerspiel über 10 Passagiere, die alle ihre Fähre von Rostock nach Kopenhagen verpasst haben aber noch unbedingt vor Silvester aus unterschiedlichen Gründen dort ankommen müssen. Der Smutje eines alten Vergnügungsdampfers bietet ihnen die Überfahrt an. Das Innere des Dampfers funktioniert als Beichtstuhl für die Geheimnisse der unterschiedlichen Passagiere. Jeder hat ein Geheimnis, das nach und nach offenbar wird. Im Grunde ein sympathischer kleiner Film mit tollem Ensemble. Macht sehr Spaß, auch wenn es stellenweise etwas zotig wird, bleiben die Szenen in einer märchenhaften, geheimnisvollen Stimmung, in der alles möglich wäre. Vielleicht ist es das: Der Film holt aus der Grundidee nicht alles raus. Möglich wäre einiges, aber der Film bleibt einfach nur nett. Die Atmo für mehr wäre da, aber das was tatsächlich passiert folgt der Dramaturgie des „Traumschiffs“: Alle haben irgendwas, und wenn sie von Bord gehen, haben sie ihr Problem gelöst oder zumindest erkannt. Der Dampfer als Katalysator für die Gefühlswelten seiner Passagiere ist da wirklich keine neue Idee. Aber immerhin nicht langweilig, hätte ja auch über’n Jordan gehen können für die 10 Leutchen.

Film #9: JOHN & JANE
Indien, 2005 – Regie: Ashim Ahluwalia
:::: gesehen am CineStar8

Und von dieser Virtual-Reality-Sci-Fi-Doku-Fiktion über Call-Center-Jobber in Indien, die die USA bedienen und begehren. bin ich auch fasziniert gewesen. Auch wenn mich langsam die Befürchtung beschlich, dass ich eventuell zu unkritisch sei, oder vielleicht aus der Übung gekommen bin? Aus heutiger Sicht war es wohl einfach ein guter Tag, den ich erwischt habe. Sonntag und Montag war dann auch Nichtssagendes bis Unverschämtes zu sehen. Weil es aber jetzt schon wieder später ist, als gut hier schnell zur eigenen Erinnerung für mich aus dem Katalog kopiert:

JOHN & JANE ist eine Mischung aus beobachtender Dokumentation und tropischer Science-Fiction. Der Film folgt den Geschichten von sechs ‘Call Agents‘ in einem Call-Center in Bombay, deren Arbeit darin besteht, Anrufe von amerikanischen 1-800-Nummern entgegenzunehmen. Die Angestellten arbeiten für eine der vielen neuen ‘Glas und Stahl‘-Gesellschaften, die in den Sumpfgebieten außerhalb der Stadt wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Ihre Buüros sind nur nachts besetzt, um die täglichen Anrufe der amerikanischen Kunden entgegenzunehmen. Wenn die Angestellten die Anrufe entgegennehmen, hören sie aus der Ferne amerikanische Stimmen: eine einsame Frau aus Wichita Falls, die eine ‘Wunderklinge‘ bestellt; jemanden aus Evanston, der eine Kreditkartenrechnung bezahlen will. Wenn die Nachtschicht zu Ende ist, gehen die Angestellten nach Hause, um sich im tropischen Dunst Bombays schlafen zu legen. Und weil ihnen die Anrufe noch im Kopf herumspuken, träumen sie von fernen Orten, wo die Leute Kuchenformen besitzen, mit denen man dem Teig die Form eines Schneemanns geben kann. Nach einem strapaziösen Mix aus amerikanischer ‘Schulung‘ und einem 14-Stunden-Tag fordert der Job bald seinen Tribut. Während die Call Agents versuchen, ‘sich selbst zu finden‘ in dieser neuen kulturellen Land schaft, eröffnen sich um sie herum neue Perspektiven: Einkaufszentren, New-Age-Rituale, Lyrik-Wettbewerbe, Blondfärben der Haare, Aufhellen der Haut ... Der Film entdeckt eine neue Generation von Indern, die bereits zwischen realer und virtueller Welt leben (...) Diese futuristisch anmutende Welt zwischen amerikanischen ‘Alias‘ und einer simulierten Realität ist keine Science-Fiction, sondern die Zeit, in der wir leben.

Und das waren erst die Filme vom Samstag? Uff. (Zitat: Innere Stimme)
 








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