Da es mir seit einigen Tagen etwas schlapp geht - so von der eigenen Motivation her - schien es mir ganz angebracht gestern beim Warten auf F. in einer dieser im Café ausliegenden Zeitschriften zu blättern und nach einem neuen Hobby für mich zu suchen. Den Scheinschlag hatte ich schnell durch, die Siegessäule auch. Aber dann hat mich was in den Bann gezogen:
Sein - eine monatliche Zeitschrift für "Lebenskunst in Berlin und Umgebung". Kann ja nicht verkehrt sein, dachte ich. Drin ganz viel Esoterik, aber echt 'ne unübersichtliche Menge. Wie man sich und seine Wohnung entschlackt von Giften und Bösen Geistern, wie man seine Lichtgestalt findet um kosmische Transzendenz zu erlangen, wie man eine positive Einstellung zum Geld bekommt. Ich war wirklich erstaunt über die Differenzierung der Szene. Da kann man sich ja wohl ganz schön drin verliehren. Hab kurz überlegt, ob ich da nicht mal hingehe: "Stille Meditation, kostenlos, 2 Stunden, früher gehen ist ok...", oder vielleicht doch lieber zur "Vollmondzeremonie zum Fischevollmond in der Jungfrau, Thema: Glaube und Analyse". Aber bevor ich dann tatsächlich ernsthaft drüber nach dachte kam F. und wir haben uns über Kino und Jobperspektiven unterhalten. Am Ende des Abends dann doch etwas motiviert, im Briefkasten Post von der Krankenkasse gefunden, mit der Ankündigung einer deftigen Nachzahlung an sie. Schock! Wird wohl wieder erstmal nichts mit einem neuen Rechner.
Dieser Artikel:
Es muss nicht alles Fiktion bleiben (Tagesspiegel, 1.3.04), erschienen am letzten Montag, war Gegenstand des gestrigen Abends auf dem "Open Forum" der
film.lounge.berlin. Die Programmankündigung:
Anlässlich der Konstituierung der Findungskommission zur Neubesetzung der Filmboard-Indendanz (Mitglieder: Nico Hoffmann, Dieter Kosslik, Petra Müller, Katrin Schlösser, Alexander Thies) öffnen wir das Mikro für eine offene Diskussion über die Zukunft der Filmförderung im Rahmen der neuen Medienboard Berlin Brandenburg GmbH.
Petra Müller, die neue Medienboard-Geschäftsführerin, stand auf dem Podium Rede und Antwort, rechtfertigte sich für obiges (teilweise flasch wiedergegebenes) Interview mit ihr im Tagesspiegel und hörte sich die Kritik und Ängste der Anwesenden aus der Filmbranche bezüglich der neu zu besetzenden Intendanz an.
Der Hintergrund: Die Berlin-Brandenburgische Filmförderungsanstalt "Filmboard" heisst jetzt
Medienboard. Der bisherige Intendant und Geschäftsführer Prof. Keil wird zum April ans
Erich Pommer Institut wechseln und bis Ende des Jahres nur noch beratend beim Medienboard arbeiten. Wer den Job ab April übernimmt, ist noch nicht geklärt. Die Findungskommission hat sich entschieden, in den nächsten Tagen die Stelle auszuschreiben, obwohl es auch eine interne Liste an möglichen Kandidaten gibt.
Die Angst, wann über die Besetzung entschieden wird und ob das Förderjahr gefährdet sei, stand im Raum. Kritik an der Arbeit der Findungskommission, die Stelle auszuschreiben, anstelle der gezielten Suche eines Nachfolgers. Befürchtungen, die Entwicklung vom neuen Medienboard gehe an der Branche vorbei. Kritik an der Zusammensetzung der Findungskommission (nicht branchennah genug).
Keil betonte, dass die alte Filmboard ganz bewußt eher staatsfern gedacht war, die neue politische Dominanz der Medienboard sei als Signal gedacht. Gegen Ende dann das Problem, ob der Aufsichtsrat sich den festgelegt hätte, ob die neue Intendanz auch gleichzeitig Geschäftsführung der Medienboard sein wird - Antwort: kann, muss aber nicht. Man hält sich´s offen, habe noch nicht entgültig entschieden. Worauf die - tatsächlich gerechtfertigte - Kritik aufkam, warum das mit der Ausschreibung noch nicht klar sei, schließlich müsse das doch mindestens für den Findungsprozeß feststehen. Tatsächlich eine lustige Vorstellung, wenn in der Ausschreibung das Anforderungsprofil lauten würde: herausragende künstlerisch/inhaltliche Kompetenz in der deutschen Film- und Medienlandschaft, wowie fundierte, kaufmännische Fachkenntisse in Filmökonomie, zweiteres kann, muss aber nicht...
Und was noch auffiehl: Diese alte Trennung zwischen U und E in der Branche. Echt, als ob man beim falsch gelesenen Adorno hängen geblieben sei. Dass Leute Angst haben, ihre ambitionierten Kinofilmproduktionen nicht mehr umsetzten zu können, weil die neue Ausrichtung vielleicht stärker Fernsehen fördern könnte. Ich glaube, da muss jemand mal über seinen engen Tellerrand hinwegsehen. Hängt doch alles zusammen. In vielen kreativen Kinoprojekten steckt auch TV-Geld drin. Und für viele Produktionen gehört Fernsehen eben zum alltäglichen Geschäft, um die Strecke zum nächten Kinofilm zu überstehen.
Es war alles recht interessant, aber teilweise für mich die Aufregung nicht ganz nachvollziehbar. Hat mich an meine hochschulpolitischen Zeiten erinnert. Da waren auch alle Studierenden aufgeregt, als die Institutsleitung wechselte und nicht klar war, was sich an der Lehre und der inhaltlichen Ausrichtung des Fachs ändern wird. Jedenfalls scheint es so, dass die Branche mit Prof. Keils Arbeit der letzen Jahre als Intendant und Geschäftsführer der Filmboard recht zufrieden sind und die Unsicherheit über die zukünftige personale und inhaltliche Ausrichtung der Filmförderung nicht gering ist. "Wir haben kein Bock auf Insolvenz", meinte einer aus der Publikumsrunde...
|
film.lounge.berlin: Empfehlung an die Findungskommission zur Auswahl der neuen Filmboard-Intendanz (27.2.2004)
|
"Medienboard Berlin-Brandenburg: Neuer Aufsichtsrat, Intendantensuche (03.02.2004)