"Squalor is ... ... having great balance because you've learned to dance over great heaps of stuff." Squalor Survivors
Als sie die Tür ihres neuen Hauses mit einem Brecheisen aufstemmen, denn ein Schlüssel wurde nach der Versteigerung nicht ausgehändigt, beisst ihnen ein stechender Geruch aus Urin, Schimmel und Verwesung in die Nase. Der erste Anblick lässt sie direkt zurück schrecken. Wer hier wohnte, ist an seinem eigenen Dreck erstickt. Müllberge und überall Katzen. Unmengen von leeren Flaschen, Stapel von Pizzakartons und schimmelndes Geschirr umgarnen die fleckigen Sitzmöbel. Um den Fernseher stapeln sich PET-Flaschen, im Flur aufgeplatzte Müllsäcke und aus einer Kammer unter der Treppe quellen leere Katzenfutterdosen. Die Tür zur Küche klemmt, durch den schmalen Türspalt können sie weiteres Chaos erkennen. Eine tote Ratte in der Spüle, die Kakerlaken fliehen auf den kotverschmierten Fliesen in die Ritzen unter den Küchenschrank. Aus dem Badezimmer riecht es besonders streng. Die Wanne ist halb gefüllt mit braunem Dreckwasser, Kot überall an den Kacheln und auf dem Klodeckel. In einem Hinterzimmer voller Kleiderberge und verdrecktem Spielzeug sind Kinderzeichnungen an der Wänden. Eine harte Schicht aus Kot und Pisse bedeckt die Auslegeware, hinter den Wänden raschelt und fiepst es. Rattennester.
Das haben sich Susan und Alonzo von ihrem neuen Haus nicht träumen lassen. Alonzo fährt einen schwarzen Hummer, seine Eltern sind Einwanderer aus Lateinamerika, er ist erfolgreicher Selfmade-Unternehmer. Dies ist sein 30stes Haus. Er ersteigert günstig Häuser, investiert in die Sanierung und verkauft die Immobilen zum höheren Marktpreis. In den USA nennt man das "Houselifting". Damit haben seine Frau und er sich in den letzten Jahren ein kleines Stück Unabhängigkeit erarbeitet. Eine derartige Verwahrlosung wie in dem Katzenhaus haben sie jedoch noch nie erlebt. Alonzo nimmt es gelassen. Ein bisschen Farbe an die schimmeligen Wände würden die Sache gleich in einem anderen Licht erscheinen lassen. Den Müll will er von ein paar Freunden in Schutzanzügen und Atemmasken beseitigen lassen. Die Freunde halten es nicht lange aus. Würgreiz auch bei mir, als Alonzo in dem beissenden Gestank einen Burrito verspeist. Auch die herbei georderten Müllmänner, Handwerker und Schädlingsbekämpfer schrecken zuerst zurück. Nach kurzem Überlegen nennen sie ihren Preis, um das Desaster zu beseitigen. Alonzo feilscht um jeden Dollar. Sein Budget für die Instandsetzung des Hauses ist schon überzogen, bevor sich rausstellt, dass die schimmeligen Rigipswände gesamt erneuert werden müssen, und dass die Bekämpfung der Kakerlaken und Ratten teurer wird, als gedacht. Im Haus befindet sich ein eigenes kleines Ökosystem. Die Katzen fressen die Ratten. Die Ratten fressen die Kakerlaken. Die Kakerlaken ernähren sich vom Kot. Die Nachricht eines Handwerkers, dass sich fünf Risse im Abwasserrohr unterm Haus befinden, geben Alonzo den finanziellen und psychischen Rest. Susan schickt Alonzo zu einer Psychologin. Klar dass ein gestandener Kerl wie er in Tränen ausbricht, wenn er gefragt wird, wie es ihm eigentlich geht.
Vielen Dank, liebes digitales Pay-TV, für diese wunderbare Mischung aus Messy-Reportage, Renovierungsshow und Psychoscheiss eines Kleinpatriarchen! Das geht einem so schnell nicht aus dem Kopf. Dafür zahlt man doch wirklich gerne ein bisschen mehr Kabelgebühren im Monat.
Kabel Deutschland, bitte hör auf mir ungefragt Probezeitschirften und monatlich Werbebriefe für Dein Internet zu schicken. Bitte ruf mich auch nicht mehr an, wenn ich zu Abendbrot esse oder versuche mich tagsüber auf einen Text zu konzentrieren und frage nie wieder, warum ich ein Probe-Abo eines Dienstes kündige, das Du Deinen Kunden ungefragt aufdrängst und das ich ursprünglich nie haben wollte. Und frage mich bitte auch nicht heuchlerisch auf Kundenbindung machend, was Du besser machen kannst, damit ich deinen Zusatzdienst abonnieren würde. Erstens falle ich auf Dein falsches Lächeln nicht rein, zweitens mach doch bitte erstmal die digitalen Pixelstörungen da aus dem Fernsehbild raus. Und außerdem möchte ich eigentlich keine Programme empfangen, auf denen nur das Beste der Reste vom vorvorletzten Essen wiederaufgewärmt werden. Ein Großteil des Fernsehprogramms ist eh schon schlecht und wird bei der sechzehnten Wiederholung auch nicht besser. Und bittebittebitte erkläre mir bitte auch nicht, was Video on Demand ist. Du hast kein Video on Demand in Deinem Produktangebot, Du hast höchstens Nearly Closed Circuit.
Mann, ey! Manchmal wird man sowas von zugespammt von denen und den Versicherungen und den Banken und den Telkos und all die anderen Call Center Spacken und denen die Betrüger. Ich vermisse Filterregeln sowie Adblocker fürs Leben so sehr.
(Die gesammelten Werke der 12-jährigen Ida aus einem deutschen Geschichtsbuch von 1941)
Die Zeit mit ihren Taschenspielertricks! Sie trickst und trickst, buhlt darum, uns jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde neu vorkommen zu lassen und dabei verkauft sie uns lediglich den alten Kram nicht mal geschickt getarnt in neuer Verpackung.
Jene Pennälersprüche der Siebtklässlerin Ida von 1941, würde man sie heute twittern, würden sicher den einen oder anderen Fav abbekommen. Es hat sich tief drinnen im Wesen des jungen Menschen an sich nicht viel geändert. Gut, mit etwas Glück gibt es heute andere Geschichtsbücher, die Schriftart ist sicher moderner, die Lehrmethoden womöglich auch. Aber langweilen? Das tun wir uns noch immer, auf der Arbeit, in der Vorlesung, in der Schule. Als 12-jährige und womöglich mit 48 Jahren immer noch.
Samstag konnte man diesen James Bond von 1997 zum x-ten Mal im Fernsehen sehen. Der, wo auch das Atlantic Hotel direkt am Hamburger Hauptbahnhof zu sehen ist. 1997 ist jetzt 12 Jahre alt. Als ich damals im Alter von 12 Jahren 12 Jahre alte James Bond Filme im Fernsehen sah, waren das Filme, die fern meiner ästhetischen und gesellschaftlichen Realität wahren. Das waren Filme aus anderen Zeiten. Erschreckend, heute sind 12 Jahre alte James Bond Filme für mich einfach nur noch von 1997.
Heute konnte man Mediendinosauriern bei der Eröffnung der #medientage auf einem Podium beim Aussterben zusehen. Angesichts meiner eigenen Zeitvergänglichkeitswahrnehmung möchte ich wetten, dass jenen volljährigen Herren 12 Jahre alte James Bond Filme noch immer wie Zukunftsvisionen daher kommen: ein Handy mit aufklappbarer Tastatur und mit Touchpad? Unfassbar!
Das da ist Nils. Nils lebt gern in halb-möbelierten Räumen. Er hat alles, was man braucht: WLAN, einen Laptop, Flatscreen, Spielekonsole, Musik und Telefon. Somit kann er sich wohl eine Weile selbst bespaßen und kriegt mit was die anderen Leute ihm so schreiben. Ob ins Gästebuch oder via twitter @NilsSeptember. Im September wird dann alles besser! Erstens habe ich da Geburtstag und wahrscheinlich wird Nils dann Möbel bekommen und echte Freunde und Ikea dafür lieben (nur so ein Tipp von mir). Ich find es eine Superidee für virales Marketing, so funktioniert, dass sogar ich das hier für ohne Geld poste.
EDIT 26.8.2008: Nils nervt. Da oben war sein Stream integriert, den hab ich eben raus genommen, weil der Ton nervt. Nils hat eine Scheißstimme, ein Scheißklingelton, hört die falsche Musik und schaut das falsche Fernsehprogramm. Es nervt. Der Typ nervt und eine Web2.0 Kommunikationskompetenz hat der Typ auch nicht. Ich werd nie nie nie mehr bei IKEA einkaufen.
Die letzten Nächte teilweise damit verbracht, die ersten 13 Folgen von Gossip Girl zu sehen. Ist eine amerikanische Teen-Drama TV-Serie, die aktuell im Herbst gestartet ist. Handelt über kotzreiche New Yorker Teenager - Upper East Side - und ihre ersten Erfahrungen mit Drogen, Sex und so Familien- und Beziehungsgeflechtekram. Auch wenn Teen-Drama nicht gerade meine Lieblingsgattung ist, bin ich doch sehr schnell reingekommen. Die Hintergrundmusik hat geholfen. Und: Als omniscient narrator dient ein Weblog! Die Bloggerin „Gossip Girl“ ist die Off-Erzählerin der Gerüchte um die Prinzen und Prinzessinnen der Upper East Side. Die Bloggerin selber wird kaum dargestellt und ist nicht Kern des Geschehen der Serie, vermittelt aber zwischen Figuren und Zuschauern und treibt gleichzeitig die Handlung an, weil die Figuren handlungsimmanent das Gerüchte-Weblog lesen und entsprechend handeln. Netter medienreferenzielller Kniff.
Nette Serie jedenfalls. Wird hoffentlich noch weiter gehen. Hierzulande wird das TV ja immer merkwürdiger, da muss man sich halt andernorst weiterbilden, was gerade angesagt ist im Märchenwald. Die Sorgen und Verstrickungen der Prinzen und Prinzessinen der Upper East Side sind so herrlich klassisch, da kann auch ich mich drin wieder finden. Kernaugenmerk meiner Rezeption: Rollenmodelle der Verhältnisse von Kindern zu ihren Eltern, die eigentlich sich auch wie kotzreiche Teenager verhalten. Da sind die Grenzen fließend. In wenigen Tagen ist man ja selber auch nicht mehr Kind.
Habe in der Badewanne soeben "Beifahrer - Kleiner Tourenplaner für werdende Väter" von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gelesen (wusste gar nicht, dass es auch dafür eine Zentrale hat). Die Broschüre zeigt auf dem Cover einen kernigen Typen, der sich im weißen T-Shirt auf einen Motorradlenker stützt und erfahren in die Kamera lacht. Die Motorrad-Metapher wird dann auch konsequent durch die Überschriften der ganze Broschüre geschleift. Von "Windschattenfahren", "Fußrasten abklappen und aufsteigen" und "schön mit in die Kurven legen" ist da die Rede. Alles gut gemeint, aber Neues steht da auch nicht drin - um es kurz zu sagen - das taucht alles nix.
Man sollte die Schwangerschaftslektüre ganzheitlich angehen. Mit Science-Fiction Filmen, Tagebuchcomics und Heisserscheiss-TV-Serien zum Thema. Versöhnlich stimmte mich eben die letzte Episode der in den Staaten superprima kritisierten US-TV-Serie Mad Men, die ich mir in den letzen Wochen angeschaut habe. Handlung angesiedelt in den 1960ern, New York, Werbeagentur. Thema ist gespaltene Männlichkeit. Der moderen amerikanische Mann im Spannungsfeld zwischen Familie, Freiheit und Macht. Und natürlich vieles mehr. Als Gegenpol die Rolle der Frau als Mutter, Assistentin, Geliebte, etc. Es gibt keine bessere Schwangerschaftslektüre, aber vielleicht ist eh alle Wahrnehmung gerade bei mir in die Richtung geeicht.
Heute auch den neuen, großen Badezimmerspiegel vom Glaser abgeholt. Hoffe, dass vielleicht dessen Spiegelung Klarheit schafft.