USA 2009 - Regie: Joel Coen, Ethan Coen - mit: Aaron Wolf, Richard Kind, Fred Melamed, Sari Lennick, Jessica McManus, Adam Arkin, Peter Breitmayer, Brent Braunschweig, David Kang, George Wyner, Fyvush Finkel, Michael Tezla
Den neuen Film der Coen Brüder habe ich gerade eben sehr genossen. Das war bei den letzten Coen-Filmen alles nicht mehr ganz so meins. Aber eben das, das war schön. Vielleicht lag es auch an den Umständen: Spontan und vor allem alleine ins Kino gehen, in die OV-Spätvorstellung, das hab ich lange nicht mehr gemacht. Früher, ja damals, als man noch ... Aber heute? Nein! Neinnein, keine Zeit.
In all dem Keine-Zeit-Haben sieht man sich dann dabei zu, wie man durch die Jahre hetzt. Man findet einen Beruf, findet eine Frau, bekommt Kinder, kauft ein Auto, ein Haus am Stadtrand auf Kredit, schließlich steht die Verbeamtung kurz bevor. Doch in all dem Machen macht man eigentlich gar nichts. Und plötzlich geraten die gewohnten Koordinaten ins wanken. Das Leben wendet sich gegen einen, an jeder Ecke lauert das Pech. Dabei hat man doch gar nichts gemacht.
Es ist ein ruhiger Coen-Film, nicht so mainstreamig, eine wenig aufgejazzte Tragikkomödie, die sich wieder stärker auf den feinsinnigen, jüdischen Humor der Coen-Brüder verlässt. Der Film ist explizit jüdisch, darin gut durchdacht, erzählt ein im Kern beliebtes Grundmotiv: Ein typischer Loser wird mit dem Zusammenbruch seiner kleinbürgerlichen Welt konfrontiert. Damit ist die Hauptfigur ein Klassiker des jüdischen Humors. Der akademische Familienvater Larry, der plötzlich vom Unglück verfolgt wird, ist der Schlemihl, der Pechvogel, auf dessen Nase alle in der jüdischen Gemeinde herumtanzen.
Ja, und an manchen Stellen bekommt man den Eindruck, die Coens spielen Woody Allen. Nicht so intellektuell überstilisiert und durchtränkt psychoanalytisch, wie gern bei Allen - das erledigen Larry's Besuche bei unterschiedlichen Rabbis - doch in all den Nuancen des Selbstzweifels eines devoten Pechvogels kommt das meinen ersten Begegnungen mit Woody Allen sehr nah. Dabei bleiben die Figuren aber gewohnt lumpig und das US-amerikanische Setting gewohnt postmodern-reflexiv - ich sag mal coenesque.
Als ich ins Kino kam hörte ich noch Gesprächsfetzen von Besuchern der gerade beendeten Vorstellung, es "sei eben nicht autobiographisch, aber eben autobiographisch inspiriert". Und auch war dabei mein Lieblings-Evergreen, "also, aber diese Sache mit dem Liebhaber seiner Frau, der ihn dann so liebevoll umarmt, das ist doch total unrealistisch". Das alles erinnerte mich gleich positiv an die große Kinozeit, damals im Zivildienst, als man noch ins Kino ging, um zu vergessen. Wo auch der Weg zum Filmclub des Jugendzentrums Hellersdorf für eine Woody-Allen-Retrospektive nicht zu entfernt war. Aber wahrscheinlich hat Woody Allen auch nur sehr erfolgreich alle Formen des jüdischen Humors ausgeschlachtet, sodass jeder alte jüdische Witz mich heute zwangsläufig an Woody Allen erinnern muss.
Das hat alles nichts mit mir zu tun. Und doch fällt es leichter, sich mit so einer Figur zu identifizieren, als immer den Blick so bemüht zum Positiven zu richten.
When the truth is found to be lies, and all the joy within you dies, what then? ♫ http://blip.fm/~jisqo
August (USA 2008) - Regie: Austin Chick - 88 Min.
Startup.com (USA 2001) - Regie: Chris Hegedus & Jehane Noujaim - 107 Min.
Beim Endjahresputz meiner To-Do-Liste bin ich erneut und nun zum letzten Mal über pickiHH's Empfehlung dieser beiden Filme gestolpert, den einen habe ich mir vor Weihnachten angesehen, den anderen gestern Nacht. August ist ein Spielfilm über den Höhenflug und die Bruchlandung eines Internet-Startups, der ein wenig von der damals herrschenden Stimmung vermittelt. Startupdotcom ist ein Dokumentarfilm, der die Gründung und das Ende eines Startups begleitet.
Als die New-Economy-Blase platzte war ich noch im Studium und habe das alles nicht hautnah mitbekommen. Aber ich hatte offenbar genug Zeit, ausreichend Börsenfernsehen zu sehen, denn jetzt kurz nach dem Sichten der Filme habe ich nicht den Eindruck, sonderlich viel Neues über die Strukturen damalige Startups und deren Crash erfahren zu haben. Vielleicht ist es aber auch nur, dass der Spielfilm als Film (also gemessen an anderen Filmen), in der Kernhandlung - der Sturz eines Businessengels mit gleichzeitig keimendem Familienkonflikt - sich mit anderen Helden der Filmgeschichte messen muss und mich daher nicht sonderlich beeindruckt hat. Anders der Dokumentarfilm Startup.com (deutsche Filmseite). Dem Film gelingt es, die emotionalen Spannungen im Gründerteam einzufangen. Dokumentarfilme sind gute Filme.
Und manchmal denke ich doch heimlich, hätte ich doch damals das Studium abgebrochen und hätte meine ersten beruflichen Erfahrungen in der New Economy gemacht. War doch bestimmt lustig, oder? Ich sollte mir mal gelegentlich Erzählungen von damals schildern lassen.
Regie: James Cameron - mit: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Michelle Rodriguez, Giovanni Ribisi, Matt Gerald
Inhaltlich, was Rochus sagt: "Im Grunde ist 'Avatar' ein biologistisches Indianermärchen aus kolonialer, militaristischer Perspektive. Aber Wow."
Wieder einmal also 3D-Achterbahnfahrten, wieder einmal die Mischung aus Animation und Realfilm. Aber selbst verständlich auf einem Entwicklungslevel, der - wieder einmal - Spass macht. Das 3D-Kino befindet sich nun schon seit den 1950ern auf der Suche nach seiner Filmsprache. Mit "Avatar" ist eine gesunde Mischung aus visuellem Spektakel und Story gelungen. Wobei Spektakel und Story altbewährt sind: Verfolgungsjagden und schnelle Flüge durch fantastische Welten gemischt auf Handlungsebene mit einer militärgestützten Kolonialisierung. Ich will nicht jammern, hab mich nicht gelangweilt. Eigentlich bin ich gespannt, wie oft sich das Medium Kino zu meinen Lebzeiten neu erfinden wird.
Sehnsucht- und Liebesfilm in mehreren Handlungssträngen. Ein Schuhverkäufer, der gerade in Trennung lebt. Dessen zwei Söhne, die im Online-Chat mit dem anderen Geschlecht experimentieren und tatsächlich eine Frau für ein RL-Date gewinnen. Zwei Teenage-Mädchen, die aus einem verspielten Flirt heraus einem Nachbarn zur Erotikphantasie werden, die die Mädchen wiederum erfüllen wollen, was den Nachbarn und die Mädchen an die Grenze ihres Rollenverhaltens und ihrer Vorstellungskraft führt. Die junge Künstlerin, die als Fahrerin für Senioren arbeitet, versucht, ihre Kunst im lokalen Kunstmuseum unter zu bringen und sich in den Schuhverkäufer verliebt. Die trockene Kunstkuratorin, die zwischen Sehnsucht und Professionalität in Kunstdiskursen verloren ist. Das liebevolle Streben eines Jeden auf seine Art in seinen Grenzen nach einem kleinen bisschen Glück. Sehr schön.
Lange war für mich das Emoticon <3 eher die Darstellung eines Furzes, als die eines Herzes. Hier kommt im Chat der Jungs mit einer Frau das Emoticon ))<>(( zum Tragen, dass einen immer währenden Furz zwischen zwei Personen darstellen soll. Auch so ein Bild für Liebesbeziehungen, auf das man erstmal kommen muss.
..., denn ich bin nicht recht in Stimmung, schiebe aber seit Wochen zwei Punkte auf meiner Todo-Liste vor mir her, die ich schnell noch vorm TV-Duell (was ich nicht gerade mit Spannung erwarte) wegerledigen kann: "Bloggen zu ELI STONE" und "Bloggen zu THE READER" (man sollte nie auf eine Todo-Liste schreiben, dass man noch zu Demunddas was bloggen möchte. Denn dadurch bekommt das gleich so eine gewaltige Bedeutung, dass man mit ganz anderen Erwartungen ans Schreiben drangeht, die Leichtigkeit und überhaupt die ganze schöne Mitteilsamkeit flöten geht).
Also, "The Reader" gesehen, okay gefunden, zur Hälfte irgendwann eingedöst.
Und: Die amerikanische TV-Serie "Eli Stone" (1. Staffel) um einen Rechtsanwalt der seherische Fähigkeiten entdeckt und fortan als Gutestuer in einer Kanzlei seine Fälle anhand seiner Visionen vertritt, möchte ich gern empfehlen. Eine Mischung aus "Ally McBeal", "Ein Engel auf Erden" und noch irgendwas, was ich aber inzwischen vergessen habe. Ist ja auch egal.
Das war's auch schon. Danke für die Aufmerksamkeit.
Großbritannien / USA 2005 - Regie: Garth Jennings - mit: Martin Freeman, Sam Rockwell, Mos Def, Zooey Deschanel, John Malkovich, Stephen Fry, Alan Rickman
Muss man eigentlich nicht viele Worte drüber verlieren, dass das Kult-Buch auf Wortwitz beruht, dass ein darauf folgendes Hörspiel auf Wortwitz beruht, dass eine billig produzierte BBC-TV-Serie keine großen Bild- und Spezialeffekte auffahren kann und deshalb sich auf den Wortwitz der Vorlage konzentrieren muss, und dass schließlich ein schicker Kinofilm von 2005 dann mit Effekten und Gedöns auf Slapstick statt auf Wortwitz setzt. Gegen die Ausbeutung seiner ureigenen popkulturellen Erinnerung kommt man wohl nur an, wenn man Verwertungsrechte sammelt.
Als vielleicht 10-Jähriger hatte ich zufällig die TV-Serie (UK, 1981) entdeckt. Die kam wohl irgendwann sonntagvormittags im Öffentlich-Rechtlichen, glaube ich. Das war ein unschlagbares, heimliches Vergnügen. Ähnlich zufällig hatte ich im selben Alter den Ramones-Film Rock 'n' Roll High School (USA, 1979) im Fernsehen gesehen. Früher barg das Fernsehen noch Wunder für mich. Das Schillern der Popkultur ähnlich dem Schillern des Benzins auf den Wasserpfützen meiner Kindheit.
(The Interpreter) USA, UK, Frankreich 2005 - Regie: Sydney Pollack - mit: Nicole Kidman, Sean Penn, u.a.
Thriller um Nicole Kidman, die als Dolmetscherin bei der UNO arbeitet und zufällig ein Gespräch über ein geplantes, politisches Attentates mithört. Sean Penn als Security-Mann und frischer Witwer ermittelt gegen sie. Zunächst glaubt er ihr nicht, am Ende der Hauch einer Romanze zwischen Opfer und Beschützer.
Ich persönlich finde so etwas ja für Sonntagabend spannender als Tatort. Mehr Spannungsbogen, mehr Gefühlskino, mehr Weltthema. Auch nach unserem Erlebnis in der S-Bahn passte die zugrundeliegende Dialektik des Films "Waffengewalt vs. diplomatische Worte" gut. Aus der Wikipedia zum Film noch Wissenswertes, worüber wir uns beim Sehen auch Gedanken gemacht haben: Es ist der erste Film, der innerhalb des Hauptsitzes der Vereinten Nationen, darunter im Saal der Generalversammlung, gedreht werden konnte. Und: Für ihre Rolle in diesem Film lernte Nicole Kidman Flöte spielen und Vespa fahren. Schönstes Zitat: Nicole: "Wussten Sie, dass die häufigste Todesursache bei Bibern umstürzende Bäume sind?" Sean: "Ja, das wusste ich."
Dunkelheit, Schlamm und ein Mensch. Keine Höhle, sondern ganz tief, unterirdisch in einer zerstörten Laboranlage wacht die Hauptfigur ohne Erinnerung auf. Er will zurück an die Erdoberfläche. Leichen, monströse Zombies, Computerlogbücher und einige wenige Überlebende zeugen auf seinem Weg von einem katastrophalen Bio-Experiment in einer technoiden Zukunftswelt.
Ein wenig Platons Höhlengleichnis als Grusel-SciFi, ein wenig Garten Eden und ein Baum der Erkenntnis. Der Film hat mich überrascht, verwirrt und gefesselt. Ein herrlich dystopischer Science-Fiction. Mit relativ einfachen Effekten, Metaphorik und audiovisueller Detailliebe werden sehr verstörende Bildwelten geschaffen und eine packende Handlung erzählt, die der Dramaturgie eines Computerspiels gleicht, nach oben an die Erdoberfläche strebt, aber an keinem Punkt vorhersehbar ist. Der Zuschauer weiss genau so wenig wie der Protagonist. Erst langsam fügen sich die Puzzleteile der Katastrophe zusammen. Und wenn man dann noch erfährt, dass das erst der Debütfilm des Regisseurs Franck Vestiel ist: Respekt.
:::: gesehen am 24.2.2009 im CineStar (Pressevorführung)
USA 2009 - Regie: Zack Snyder - mit: Jackie Earle Haley, Patrick Wilson, Malin Akerman, Billy Crudup, Matthew Goode, Jeffrey Dean Morgan, u.a.
Heute ist offizieller Start des Film, dem ja doch ein gewisser Hype folgt. Aber ich habe noch keine Zeit gefunden, mir innerhalb der letzten Woche seit der PV eine abschließende Meinung über den Film zu bilden. Was an sich ein gutes Zeichen ist, denn man kann den Film nicht mal eben einfach kategorisieren und in einer Schublade verschwinden lassen. Harter Brocken, auf seine Art. Direkt nach der Vorführung habe ich getwittert: WATCHMEN gesehen. Viel Wumms, etwas amerikanische Volkspsyche, im Kontext Comic-Verfilmung aber ganz ok. Bin zu alt für sowas. Man war erschlagen, nicht nur ich, sondern das Publikum der Pressevorführung allgemein wirkte etwas müde. Wohl aus dem selben Grund, aus dem ich mich freute, keine professionelle Filmkritik über den Film schreiben zu müssen. Ich interessiere mich nicht so sehr für den Diskurs Comicverfilmung, als dass mich das Thema vollends aufblühen lässt. Viel mehr aber hat mich beim Sehen das historisch-soziologische Gefüge des Stoffs interessiert. Die ganze Schiene, immer wieder faszinierende: History, Identity and Society in Popular American Cinema ... aber das ist ja weniger dem Film als der Vorlage selber anzuerkennen.
thgroh schreibt im Perlentaucher (weiter unten) und in ähnliche Richtung würde ich meine Kritik auch ausrichten:
Nur ist eben alles, was gut ist am Film, nicht Produkt eigener Reflektionsleistung, sondern abgepaust. Das wenige Eigene - Snyder pflegt auch hier seinen Fetisch für Zeitlupendynamik im Scharmützel - wirkt eher unerheblich, mt einer Ausnahme: der herrlich geglückten Vorspannsequenz, die in zahlreichen tableaux vivants das alternate history setting ausbuchstabiert. Es ist ein ständiges Apropos, ein ständiges Nicken in Richtung Comicheft: Schaut her, schaut hier, sehet dies, sehet das - ein Fabulieren in Bildern, denen, und dies eben ganz im Gegensatz zur Vorlage, jedes Rätsel, jede Anspielung zugunsten der bloßen Präsenz des Erwartbaren gründlich ausgetrieben wurde.
Der Film macht durchaus Spass, er versucht eine ungewohnte Dramaturgie (statt Anfang, Höhepunkt, Ende gibt es Anfang, Höhepunkt, noch einen Anfang und ein Ende) ich hab es nicht bereut ihn zu sehen. Doch bleibt ein fader Beigeschmack. Der Film scheitert im Vergleich zur Comic-Vorlage respektabel.
USA, 1960/61 - Regie: Robert Wise, Jerome Robbins - Darsteller: Natalie Wood, Richard Beymer, George Chakiris - Sektion: Retrospektive
Mein letzter Film auf der diesjährigen Berlinale war dann also dieser hier aus der Retrospektive, eine saubere, neue, rekonstruierte 70mm-Kopie. Ich dachte eigentlich, den Film schon mal auf Video gesehen zu haben. So leicht täuscht man sich. Da hab ich doch Kino mit dem Erlebnis einer College-Musical-Inszenierung von "West Side Stroy" vor ziemlich genau 20 Jahren verwechselt. Was soll man sagen. Großes Kino wird im großen Kino nicht kleiner. Schön bunt. Schön, die einzelnen Nähte an Hemden zu sehen, oder die Texturen von Stoffen im Brautladen, oder Details im Mauerwerk. Der Dreck der Straße. Popkultur pur, amerikanische Identität. Michael Jackson sowieso. Satter Sound auch. Einige Plätze neben mir saß ein etwas nerviger, junger Mensch, der oft schief mitsingen oder sich unterhalten musste und bei der Balkonszene dann schließlich bemerkte, dass die Szene ja wohl bei "Romeo und Julia" geklaut sei. Dumpfbacke! Was soll da man machen?